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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sofort fliehen müssen. Aber ich glaube nicht,
dass sie es getan haben.« Sie deutete ein Achselzucken an
und wandte sich wieder Lancelot zu. »Vielleicht habe ich
jetzt ein paar Untertanen weniger. Das Reich wird es überstehen.«
»Ja«, antwortete Lancelot leise. »Das wird es wohl.« Er
hätte gern etwas anderes gesagt, etwas wie: »Sie sind für
eine gute Sache gestorben«, oder: »Ihr Tod wird nicht umsonst gewesen sein«, aber er konnte es nicht. Seit er zum
Ritter geworden war, hatte er zahllose Kämpfe hinter sich
gebracht. Er war an Artus’ Seite in die Schlacht gezogen,
er hatte bei der Verteidigung Camelots gegen die piktischen Horden auf den Zinnen gestanden und hatte sogar
das Schwert mit den schrecklichen Dunkelelben gekreuzt,
aber das hier war etwas anderes. Seine Gegner waren anfangs ausnahmslos Männer gewesen, die ihr Leben dem
Krieg und dem Kampf verschrieben hatten und die wussten, worauf sie sich einließen, auch wenn den allermeisten
wohl erst im wirklich letzten Moment klar geworden war,
um welch hohen Einsatz sie spielten. Doch auch das hatte
sich verändert. Mittlerweile bezahlten mehr und mehr Unschuldige und Unbeteiligte den Preis dafür, dass sich ein
kleiner Küchenjunge aus Camelot den Traum erfüllt hatte,
zum strahlenden Ritter zu werden.
Da er ahnte, dass Gwinneth nichts mehr sagen würde,
drehte er das Einhorn herum und ritt zu Sean und Patrick
zurück. Auch die beiden hatten ihre Tiere gewendet, jedoch keine Anstalten gemacht, näher zu kommen.
»Wir brauchen ein Versteck für den Rest der Nacht«,
sagte er. »Du hast Recht, Sean – wir können es nicht riskieren, irgendwo um Obdach zu fragen. Falls die Pikten
unsere Spur finden, würden nur noch mehr Unschuldige
mit ihrem Blut dafür bezahlen.«
»Ganz, wie Ihr meint, Sir«, murrte Sean.
»Bitte hör damit auf«, sagte Dulac leise. »Das mit deinen
Brüdern tut mir unendlich Leid, das musst du mir glauben.
Aber es ist nun einmal geschehen und nichts auf der Welt
kann es rückgängig machen.«
»Vielleicht wäre es nicht passiert, wenn wir von Anfang
an gewusst hätten, worauf wir uns einlassen«, sagte Sean
bitter. Er ritt ein kleines Stück näher und starrte Lancelots
Gesicht hinter dem hochgeklappten Visier des Helmes an.
»Ich erkenne Euch nicht, aber ich weiß, wer Ihr seid. Auch
wenn es gar nicht möglich ist.«
»Und wenn du an Zauberei glauben würdest …«, begann
Lancelot, aber der Ire unterbrach ihn mit einem ärgerlichen Kopfschütteln.
»Mir ist nicht nach Scherzen zumute, Sir Lancelot«, sagte er. »Jetzt nicht und vielleicht nie wieder.«
»Verzeih«, bat Lancelot. »Ich wollte dich nicht verletzen. Ich bedaure den Tod deiner Brüder. Aber wenn du
nicht willst, dass sie umsonst gestorben sind, dann sollten
wir aufhören uns gegenseitig Vorwürfe zu machen und
überlegen, wie wir unseren Verfolgern entkommen können.«
»Können wir das denn?«, fragte Sean. »Können wir einem Feind entkommen, der mit schwarzer Magie kämpft
und aus dem Nichts zu erscheinen vermag?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Lancelot ehrlich.
»Aber solange wir noch am Leben sind, sollten wir es zumindest versuchen.«
»Vielleicht sollten wir zuerst einmal versuchen ehrlich
zueinander zu sein«, antwortete Sean.
»Sean, ich bitte dich«, sagte Lancelot. »Ich konnte es
euch nicht sagen. Hättet ihr mir denn geglaubt?«
»Das weiß ich nicht«, gestand Sean. »Aber vielleicht
wären meine Brüder noch am Leben …«
»… wenn ihr getan hättet, was man euch geraten hat?«,
unterbrach ihn Lancelot scharf. »Und sofort aufgebrochen
wärt, statt noch eine Nacht am warmen Feuer zu sitzen
und Bier zu trinken?« Die Worte taten ihm schon Leid,
noch bevor er sie ganz ausgesprochen hatte, aber natürlich
war es zu spät, sie zurückzunehmen.
Sean starrte ihn für eine kleine Ewigkeit völlig unbewegt
an, aber plötzlich, so warnungslos wie der erste Blitz eines
Sommergewitters, loderte blanke Wut in seinen Augen
auf. Blitzschnell packte er Lancelot, zerrte ihn halbwegs
aus dem Sattel und ballte die andere Faust zum Schlag.
»Du verdammter …«
Seine Wut erlosch so schnell, wie sie gekommen war. Er
sprach nicht weiter und nach einem weiteren Augenblick
ließ er Lancelot auch wieder los und senkte den Arm. Das
Einhorn schnaubte unruhig und begann mit den Vorderhufen im Schnee zu scharren und Lancelot strich ihm rasch
beruhigend mit der Hand über die Mähne. Das Tier spürte
den Zorn des Iren

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