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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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waren sie aufgesessen und in
östlicher Richtung in der Nacht verschwunden und Lancelot war ihnen in einigem Abstand gefolgt.
    Gut eine Stunde lang war er nach ihrer Spur geritten,
immer darauf bedacht, einen sicheren Abstand zwischen
sich und den vorausreitenden Iren und Gwinneth zu halten. Eine ganze Weile war es ihm sogar gelungen, sich
selbst einzureden, dass es sich dabei um eine reine Vorsichtsmaßnahme handelte, denn schließlich mussten sie
trotz allem damit rechnen, verfolgt zu werden, und zumindest wenn er diese Rüstung trug und auf diesem Pferd saß,
waren seine Sinne ungleich schärfer als die jedes anderen
Menschen. Aber natürlich war das nur eine Lüge und nicht
einmal eine besonders überzeugende.
    Sean, Patrick und Gwinneth waren eine weitere Stunde
geritten und schließlich war Lancelot klar geworden, dass
sie vermutlich nicht anhalten würden, bevor die Nacht
vorüber war und die Sonne aufging. Er hatte noch weitere,
endlose Minuten gezögert, das Einhorn dann aber zu einer
schnelleren Gangart bewegt und auf diese Weise rasch zu
ihnen aufgeschlossen.
    Die beiden überlebenden Iren und Gwinneth warteten
hinter einer Wegbiegung auf ihn. Sean und Patrick hatten
ihre Tiere so weit an den Wegesrand gedrängt, dass sie
einen eventuellen Verfolger gleichzeitig angreifen und in
die Zange nehmen konnten, und ihre Schwerter gezogen
und sie senkten die Waffen auch nicht, als Lancelot aus
der Dunkelheit auftauchte und sie ihn erkannten. Seans
Gesicht war weiter vollkommen unbewegt und wie aus
Stein gemeißelt, aber auf dem seines Bruders lag ein Ausdruck, der Lancelot dazu brachte, rasch wegzusehen.
    »Keine Sorge«, sagte er rasch. »Ich bin es nur. Wir werden nicht verfolgt.« Er ließ das Einhorn absichtlich langsamer gehen und legte beide Hände deutlich sichtbar auf
den Hals des Tieres und er suchte auch ganz bewusst nicht
Seans Blick, sondern sah in Gwinneths Richtung, die noch
ein kleines Stück weitergeritten war, um dann ebenfalls
anzuhalten. Es war zu dunkel, um mehr als einen hellen
Schemen zu erkennen, wo ihr Gesicht sein sollte, aber
Lancelot spürte den Schmerz, der sie immer noch quälte.
    »Seid Ihr … sicher?«, fragte Sean. Er hatte den Schild
gesenkt, nicht einmal das Schwert, und sein Blick tastete
unstet, zwischen vorsichtiger Erleichterung und brodelndem Zorn hin und her flackernd, über Lancelots Pferd,
seine silberne Rüstung und blieb schließlich an dem geschlossenen Visier vor seinem Gesicht hängen.
    Lancelot zögerte nur noch einen Moment, dann hob er
die Hand und klappte das Helmvisier nach oben.
»Sie verfolgen uns nicht«, bekräftigte er noch einmal.
»Ich glaube, für eine Nacht haben sie genug.«
»Oder sie haben Besseres zu tun«, sagte Sean mit einer
Kopfbewegung in die Richtung, aus der Lancelot gekommen war. Fast erschrocken drehte Lancelot sich im Sattel
herum und sog scharf die Luft zwischen den Zähen ein, als
er sah, dass sich der Himmel hinter ihnen rot gefärbt hatte.
Das Gehöft.
»Noch mehr, die mit dem Leben dafür bezahlen, sich die
falschen Freunde ausgesucht zu haben«, sagte Sean leise.
Die Worte taten weh, aber Lancelot antwortete nicht
darauf. Was hätte er auch erwidern sollen? »Wohin reiten
wir?«, fragte er mit einer entsprechenden Geste den Weg
hinab. »Einfach nur weg oder habt ihr ein Ziel für diese
Nacht?«
Sean lachte bitter. »Einige wenige Freunde sind uns geblieben. Es gibt ein kleines Dorf, nur ein paar Stunden von
hier. Wenn Ihr es wünscht, reiten wir gerne dorthin und
sehen zu, wie sie ebenfalls umgebracht werden, Sir .«
Lancelot fuhr wie unter einem Hieb zusammen. Er zog
es vor, auch diesmal nicht auf die Worte des Iren zu reagieren, sondern lenkte das Einhorn stumm an ihm vorbei
und an Gwinneths Seite. Sie starrte ihn wortlos und mit
jetzt fast unbewegtem Gesicht an und Lancelot erschauerte
erneut, als er in ihre Augen blickte. Er hatte befürchtet,
darin wieder die Angst zu sehen, die ihn vorhin so sehr
getroffen hatte, aber sie war verschwunden. Stattdessen
jedoch erblickte er eine Leere, die schlimmer war.
»Wie geht es dir?«, fragte er.
Gwinneth nickte knapp. »Ich lebe.«
»Und die Wirtsleute?«
Statt direkt zu antworten wandte sich auch Gwinneth
mühsam im Sattel um und sah zu dem in der Farbe von
frischem Blut leuchtenden Himmel hinter ihnen hoch. Ein
dünnes, bitteres Lächeln umspielte ihre Lippen. »Vielleicht sind sie entkommen. Jedenfalls habe ich ihnen gesagt, dass sie

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