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Runenschwert

Runenschwert

Titel: Runenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Low Robert
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ich erwartete, dass er jeden Moment einen Zipfel des Umhangs anheben würde, so neugierig war er darauf, zu sehen, was da fehlte.
    » Wir werden uns bereithalten«, sagte ich und versetzte Finn eine Ohrfeige. » Sage deinem Herrn unseren Dank.«
    Er nickte höflich, dann zögerte er. Finn rieb sich das Ohr und funkelte die grinsenden Leibwächter wütend an.
    » Bring nicht mehr als drei Begleitpersonen mit«, sagte Niketas beim Abschied, » und möglichst solche, die sich benehmen können.«
    » Wir sollen uns benehmen«, lachte Bruder Johannes, als wir ihnen nachsahen. » Wie sollen wir das denn machen?«
    Schließlich hatte ich entschieden, dass sich Sighvat und Bruder Johannes am besten dafür eigneten. Ich ignorierte Finn, der ebenfalls mitkommen wollte.
    » Vielleicht will er dir das Runenschwert bloß klauen«, wandte er ein. » Oder er lässt dich unterwegs überfallen.«
    » Er ist Kaufmann«, hatte ich ihm müde entgegnet. » Er muss auf seinen Ruf achten. Er würde nicht weit kommen, wenn er mit dem Schwert rumfuchtelt und Leute ausraubt.«
    Aber da hatte ich mich schwer getäuscht.
    Am nächsten Tag wurden wir von einem anderen Diener des Händlers abgeholt und ins vornehmste Viertel der Stadt geleitet, wo wir im eleganten Atrium eines großen Hauses von Niketas begrüßt wurden. Beim Anblick unserer dreckverschmierten, abgenutzten Kleidung, unserer schlappenden Schuhsohlen und unserer langen Haare und Bärte zog er eine Augenbraue hoch. Ich kam mir in diesem makellosen Marmorgebäude vor wie ein wahrer Schandfleck.
    Sighvat, der immer großen Wert auf sein Äußeres legte – eigentlich taten wir das alle, denn wir waren Nordmänner und hielten auf Sauberkeit – funkelte Niketas böse an und zischte: » Wenn du Eier hättest, würde ich sie dir abreißen.«
    Niketas, der so eine Bemerkung vermutlich nicht zum ersten Mal hörte, verbeugte sich nur und ging hinaus. Wir mussten warten. Mag sein, dass Choniates während der nächsten zwei Stunden wirklich beschäftigt war, aber vielleicht wollte Niketas sich auch nur rächen.
    Doch für uns war es eine Gelegenheit, das Leben in einer Gegend der Stadt zu beobachten, wo anscheinend niemand irgendwelche Sorgen hatte. In Choniates’ eleganter Halle kamen und gingen die Menschen, und scheinbar zu keinem anderen Zweck, als an die polierten Säulen gelehnt zu plaudern, zu lachen und sich ihres angenehmen Lebens zu freuen. Sie mussten selbst an diesem kalten, nassen Tag nicht frieren, denn vom Fußboden stieg eine wohlige Wärme auf.
    Aus Schalen tranken sie Wein, den sie als Opfer für ältere Götter lachend verschütteten, wobei sie sich gegenseitig beschimpften, wenn dabei Flecken auf die Ärmel ihrer teuren Kleider kamen, die sie mit ihren fetten, beringten Händen glatt strichen. Sighvat und ich rätselten, ob man diese Ringe wohl abziehen konnte, ohne die Finger vorher abschneiden zu müsssen. Und noch mehr rätselten wir darüber, woher die Wärme im Fußboden kam, ohne dass das ganze Haus dabei abbrannte.
    Endlich empfing uns Choniates. Ein hochgewachsener Mann, ganz in Gold und Weiß gekleidet und mit gepflegtem Silberhaar. Er betrieb seine Geschäfte von seinem Sessel aus, umgeben von Dienern, die sein Gesicht mit heißen Tüchern wärmten, worauf sie es salbten und – wir trauten unseren Augen nicht – schminkten, wie bei einer Frau. Sogar seine Augenlider färbten sie mit brauner Asche.
    Er war zunächst ziemlich abweisend und kurz angebunden – schließlich war ich nur ein schlecht gekleideter junger varangius, ein Waräger mit einem Lumpenbündel in der Hand, begleitet von einem großen, struppigen Mann mit einem Fuchsgesicht und einem kleinen Ketzerpriester mit Knopfaugen, der Latein und Griechisch mit dickem Akzent sprach.
    Als er jedoch die Münzen sah, wurde er nachdenklich, was mich nicht überraschte. Sie waren von den Wälsungen geprägt, und jetzt hielt er die einzigen ihrer Art, die sich nicht in Attilas dunkler Grabkammer befanden, in seinen fetten, manikürten Händen. Er kannte ihren Silberwert. Mehr noch, er kannte ihre Bedeutung und wusste jetzt, dass die Gerüchte, die er über die Eingeschworenen gehört hatte, der Wahrheit entsprachen.
    Er wollte auch das Schwert sehen. Beflissen, ihn zu beeindrucken, wickelte ich es aus, und plötzlich veränderte sich sein Verhalten. Er wagte kaum, es anzurühren; jetzt wusste er, wer dieser Orm war und er erkannte die Schönheit und den Wert der Waffe, auch wenn er nicht wusste, was die Runen

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