Runenschwert

überhaupt nicht«, sagte ein anderer. » Als Nächstes wird er sich vielleicht sogar noch die Große Stadt vornehmen.«
    » Wenn er das vorhaben sollte, hat er Pech gehabt«, stimmte Radoslaw zu, » damit würde er sich nur einen grausamen Krieg und den ›Handschlag von Miklagard‹ einhandeln.«
    Diesen Ausdruck hatte ich noch nie gehört, und ich fragte, was er bedeutete. Radoslaw verzog den Mund zu einem breiten Grinsen und lachte, dass ihm sein Stirnzopf übers Gesicht fiel und in dem ledernen Becher landete.
    » Sie bieten dir den Griff ums Handgelenk als Friedenszeichen, aber in Wirklichkeit wollen sie nur deinen Schwertarm festhalten«, sagte er und lutschte das Bier aus dem Zopfende. » In der anderen Hand haben sie den Dolch.«
    » Hoffen wir, dass er es tatsächlich versucht und damit sein Ende besiegelt. Dann können wir vielleicht zurück nach Norden«, sagte Finn und blies den Bierschaum von seinem Schnauzbart.
    Ich sagte nichts. In Wirklichkeit würden wir nie wieder nach Norden ziehen, selbst wenn Swjatoslaw schon morgen sterben sollte. Denn er hatte drei Söhne, die sich um das Erbe streiten würden, und mit unserer Suche nach Attilas Schatz hatten wir es uns mit allen dreien verscherzt. Und jetzt hielt Starkad das Geheimnis des Schatzes in Händen.
    Ich war mir sicher, dass er davon nichts wusste. Ziemlich sicher jedenfalls. Er hatte mir das Schwert gestohlen, weil der Kaufmann Choniates es haben wollte und ihm wahrscheinlich eine hübsche Belohnung versprochen hatte. Selbst Choniates konnte nicht wissen, was die Furchen auf dem Griff bedeuteten, aber er wusste, was für eine wertvolle Klinge es war und woher sie kam. Auch wenn Starkad Runen lesen konnte, die auf dem Griff würde er trotzdem nicht verstehen.
    Und selbst wenn sie den Verdacht hatten, die Runenschlange, die beim Schmieden in die Klinge eingraviert worden war, weise den Weg zu Attilas Grabhügel. Vielleicht war es so, vielleicht auch nicht, denn niemand konnte den Zauberspruch ganz verstehen, nicht einmal Illugi Godi hatte es gekonnt, und der hatte sich mit Runen ausgekannt. Doch ich hatte meine eigene Meinung dazu, was diese Runen zu bedeuten hatten, und mich überlief es heiß und kalt bei dem Gedanken, dass ich das Schwert verloren hatte. Würde das Unglück mich wieder verfolgen, jetzt, wo ich dieses Schwert nicht mehr besaß? Dieses Schwert, dessen Schlangenknoten alles Übel von mir ferngehalten hatte? Finn nickte, als ich ihm flüsternd meine Gedanken mitteilte. Doch bei dieser letzten Frage sah er mich verächtlich an. Er und Kvasir waren die Einzigen, denen ich mich anvertraut hatte, und beide waren überzeugt, dass meine robuste Gesundheit und meine gute Wundheilung nur meiner Jugend und Odins Gunst zu verdanken waren.
    Eine Weile saß Finn da, er flocht nachdenklich seinen Bart zu dünnen Zöpfchen und versuchte, die Frau zu ignorieren, die ihn von der anderen Seite des Raumes rief.
    » Elli hat Sehnsucht nach dir«, bemerkte Kvasir. » Die Götter mögen wissen, warum … Entschuldige, Bruder Johannes, Gott mag wissen, warum.«
    » Da liegst du wenigstens weich, noch dazu ohne bezahlen zu müssen«, sagte Sighvat schlecht gelaunt.
    Finn reckte sich. » Schon recht. Aber heute Abend ist mir nicht danach.«
    » Muss der Name sein«, behauptete Sighvat, und das, zusammen mit Finns verlegenem Gesicht, brachte uns zum Lachen. Der alten Sage nach – und wir hatten keinen Grund, daran zu zweifeln, Christus-Anhänger oder nicht – war Elli die Alte, die mit Thor gerungen hatte. Tatsächlich bedeutete ihr Name genau das: das Alter.
    Ich bemerkte spöttisch, ich könne gut verstehen, dass das einen Mann empfindlich treffen musste. Finn trank aus, knallte seinen Becher auf den Tisch und schlurfte zu der Hure hinüber, um seinen Unmut beim Bumsen zu vergessen.
    Ich lehnte mich zurück. Bruder Johannes hatte recht gehabt, das hier hatten wir gebraucht. Und jetzt bestand für uns kein Zweifel mehr daran, dass Starkad für Architos Choniates arbeitete. Wir mussten …
    Aber natürlich musste in diesem Moment ein Fluch Odins die Tür aufreißen.
    Nein, eigentlich war es nur der kleine Eldgrim, der von einem so heftigen Windstoß hereingeweht wurde, dass die Gäste in der Nähe der Tür fluchten. Er entdeckte mich, kam zu mir gehastet und setzte sich schwer atmend hin. » Starkad«, keuchte er. » Er kommt hierher, und er ist nicht allein.«
    » Wie praktisch«, sagte Kvasir. » Ich bin gespannt auf sein Gesicht, wenn er merkt, dass dies