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Runlandsaga - Wolfzeit

Runlandsaga - Wolfzeit

Titel: Runlandsaga - Wolfzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Gates
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das Bühnenrund war kaum noch ein Platz frei. Hoch über dem halbkreisförmigen Bau hatte die Dämmerung eingesetzt. Das wolkenlose Blau des Himmels wurde blass, doch unten auf der Bühne dunkelte es bereits. An den seitlichen Ausgängen im Osten und Westen spendeten Fackeln warmes Licht. Die Gestalten in ihren Roben standen oder saßen in Gruppen zusammen und unterhielten sich leise. Kaum jemand achtete auf eine weitere Person in einer grauen Robe, die mit gesenktem Haupt, die Kapuze wie alle anderen tief im Gesicht, von weiter oben die Treppenstufen zwischen zwei Rängen hinabstieg. Sie ließ sich in der vordersten Reihe nieder, wo sich gleich neben dem westlichen Seitenausgang noch ein freier Platz befand.
    Der Mann neben dieser Gestalt wandte sich ihr zu.
    »Alle Macht den Feuerschlangen!«, begrüßte er den Unbekannten. Pándaros konnte nicht sagen, wie alt der Mann sein mochte. Sein Gesicht lag wie bei ihm tief im Schatten seiner Kapuze verborgen. Wahrscheinlich war sein Sitznachbar kaum älter als er selbst. Dem gedehnten Klang seiner Stimme nach stammte er aus Aphnat.
    »Alle Macht den Feuerschlangen!«, gab der Priester zögernd zurück. Er war nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung war, den Gruß auf die gleiche Weise zu wiederholen. Aber es war immer noch weniger verdächtig, als nicht zu antworten.
    Sein Nachbar hob zu einer Entgegnung an, doch noch bevor er etwas sagen konnte, ertönte ein durchdringender, langgezogener Hornklang. Das Stimmengewirr auf den Zuschauerrängen verebbte so schnell wie verrinnendes Wasser in einer ausgetrockneten Ackerfurche. Fast gleichzeitig wandten Pándaros und sein Nachbar ihre Gesichter der Bühne zu.
    Dort hielten sich inzwischen nur noch wenige Leute auf. Sie alle hatten offenbar einen leitenden Anteil an der Versammlung, denn keiner von ihnen strebte einem der Plätze auf den Rängen zu. In der Mitte der Bühne war ein hölzernes Gerüst zu sehen, das eine waagerecht liegende Eisenstange trug. Von ihr hingen zwei Ketten herab, an deren Enden lederne Handfesseln schaukelten. Daneben stand auf dem Boden ein kreisrundes, flaches Kohlebecken mit etwa sechs Fuß im Durchmesser. Die Holzkohle darin war offenbar erst vor kurzem entzündet worden. Sie überzog sich allmählich mit weißer Asche.
    Am östlichen Seiteneingang stand ein Mann unter dem steinernen Torbogen und setzte gerade die Fanfare ab, in die er gestoßen hatte. Der Schein der Fackeln brach sich in dem polierten Metall, so dass es wie lebendig wirkte.
    Feuerschlangen und Flammenzungen , schoss es Pándaros durch den Kopf. Bald sehe auch ich in jeder Flamme Gesichter. Der Wahnsinn um mich herum steckt an.
    In der Mitte der Bühne hatte eine der Gestalten ihre Hände so vor dem Kopf erhoben, dass der Zwischenraum, der durch die Berührung beider Daumen und Zeigefinger entstand, ein aufrecht stehendes Dreieck bildete.
    »Alle Macht den Feuerschlangen!«, rief sie laut.
    Wie die Bewegung eines riesigen Wesens schossen die Hände aller übrigen Anwesenden nach vorne und wiederholten die Geste. Schnell tat Pándaros es ihnen nach.
    »Alle Macht den Feuerschlangen!«, dröhnte es im Chor um ihn herum, dass es ihm eiskalt über den Rücken lief. Bei der Träumenden, nun war das Stück wahrhaftig im vollen Gange! Er befand sich zwar nicht selbst auf dieser uralten Bühne, auf der Schauspieler gestanden hatten, deren Namen ebenso in der Zeit verlorengegangen waren wie die ihrer Rollen. Aber dennoch fand er sich nun in einem Stück wieder, dessen Ausgang sich ihm verbarg. Er hoffte inständig, dass sein Plan aufgehen würde, ein gutes Ende dieser unheimlichen Aufführung, wenn auch bestimmt ohne viel Beifall von den Zuschauern.
    »Flammenzungen!«, riss die schneidende Stimme der Gestalt auf der Bühne Pándaros aus seinen Gedanken. Mit einem Mal schlug ihm das Herz bis zum Hals hinauf. Er kannte denjenigen, der da sprach – diesen Mann hatte er schon einmal gehört!
    Zeitgleich warf der Sprecher die Kapuze zurück. Pándaros hielt auf seinem Platz den Atem an. Vor ihm auf der Bühne stand Halkat! Nur wenige Fuß entfernt dem Mann gegenüberzusitzen, der schon einmal versucht hatte, ihn umzubringen, ließ alle Farbe aus dem Gesicht des Priesters entweichen. Langsam, um nur ja nicht aufzufallen, senkte er den Kopf.
    »Vor fast zwei Monaten trafen wir uns zur Tagundnachtgleiche zum ersten Mal an diesem Ort«, fuhr Halkat fort, während er langsam den Halbkreis der vordersten Sitzreihe abschritt. Der Blick aus

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