Runlandsaga - Wolfzeit
dennoch waren ihre Mienen die verzerrten, bösartigen Fratzen von Ungeheuern. Der Wahnsinn, gesät von Halkat, Gersan und offenbar auch Ranár, so schmerzlich dies für Pándaros zuzugeben war, fuhr seine Ernte ein.
Gersan musste aufgrund des Qualms, der zu ihm aufstieg, husten und würgen, doch der Knebel behinderte ihn. Keuchend schwankte er unter dem Gerüst hin und her. Der Anblick war grässlich. Pándaros fragte sich schon, ob Halkat ihn langsam ersticken lassen wollte, da fuhr dessen hoch erhobene Hand mit dem Dolch herab und schlitzte die Kehle des Gefangenen auf. Ein Schwall dampfenden Blutes spritzte Halkat ins Gesicht und über seine graue Robe. Zischend regnete es auf die glühende Kohle herab. Dichter Rauch hüllte den Henker und sein Opfer ein.
Ein ohrenbetäubender Lärm erhob sich auf den Rängen. Kaum einer der Zuschauer saß noch. Selbst Pándaros hatte sich unwillkürlich von seinem Platz erhoben.
»Das Blut unseres Opfers öffne das Tor!«, kreischte Halkat. Seine Stimme übertönte selbst noch das Toben der Menge. Einige der Flammenzungen waren auf die Bühne gesprungen, um so nah wie möglich an das Gerüst heranzukommen, aber die beiden rot gewandeten Schergen und noch einige andere Männer, die sich bisher im Hintergrund der Bühne gehalten hatten, stellten sich ihnen in den Weg.
Gersans Leiche hing blutüberströmt von dem Gerüst herab. Sein Kopf war ihm auf die Brust gesunken. Immer noch floss Blut aus der klaffenden Wunde an seinem Hals und tropfte in das Kohlebecken zu seinen Füßen. Der Qualm des Räucherharzes leckte an ihm empor. Halkat stand mit ausgebreiteten Armen vor ihm, den verschmierten Dolch in der Hand. Mit Gersans Blutspritzern auf seinen bleichen Wangen und den weit aufgerissenen Augen sah er aus wie ein fleischgewordener Dämon. Seine Stimme erhob sich zu einem erregten Singsang. »Feuerschlangen! Ich rufe und beschwöre euch, kommt herbei!
Ihr, die ihr uns erwählt habt, kommt herbei!
Ihr, deren Feuer alles Unreine verbrennt, kommt herbei!
Ihr, deren Klingen heißes Blut trinken, kommt herbei!«
Plötzlich erfüllte ein warmes, rotes Licht den Dolch in seiner Hand. Es wanderte von der Spitze der Waffe zu dem Rauch, der von der Holzkohle aufstieg. Halkat stand stocksteif da, ohne sich zu bewegen. Auch die Zuschauer verstummten allmählich. Die Augen aller Anwesenden richteten sich auf das rote Leuchten, das mit dem dichten Qualm verschmolz. Gersans Körper war in eine rote Rauchsäule gehüllt, die von einem eigenen Leben erfüllt schien. Der Qualm verschwand in der klaffenden Halswunde des Toten, als würde er durch einen starken Luftzug in ein Schlüsselloch hineingezogen werden. Im selben Moment hob Gersans Leiche ihren Kopf und schlug die Augen auf. Sie funkelten in der gleichen blutigen Farbe wie das Licht, das Gersans Dolch entsprungen war.
Ein erregtes Murmeln rauschte durch die Menge. Doch niemand schrie. Diejenigen, die dem Gerüst am nächsten standen, wichen entsetzt zurück. Einer der Männer vor Pándaros prallte schmerzhaft gegen ihn. Der Priester versuchte, seine Augen von dem grässlichen Anblick dieses blutverschmierten Leichnams abzuwenden, der auf einmal wieder höchst lebendig wirkte. Hoffentlich hatte Deneb in seinem Versteck hoch auf den oberen Rängen nicht vor Schreck so sehr die Fassung verloren, dass er vergaß, was er ihm aufgetragen hatte!
»Herunter mit dem Knebel!«, herrschte Halkat seine beiden Schergen an. Zögernd trat einer von ihnen an den baumelnden Leichnam heran und entfernte den zusammengedrehten Stoffstreifen. Gersans Mund öffnete sich weit, als würde er einen Ausruf des Erstaunens von sich geben. Doch anstelle eines Schreis vernahm Pándaros die unheimliche schnarrende Stimme, die schon aus dem Spiegel in Gersans Haus erklungen war. »Die Feuerschlangen haben den Ruf des Blutdolches vernommen.«
Wenn etwas noch furchteinflößender sein konnte als Gersans rote, die Bühne absuchenden Augen, dann war es diese Stimme, die wie vom Grund eines tiefen Brunnens aus dem reglosen, aufgerissenem Mund des Toten emporstieg. Ein wenig hörte sie sich an wie Gersan selbst.
Halkat drehte sich mit begeisterter Miene zu der Menge um. »Die Feuerschlangen hören uns, meine Brüder!«
Wo auch immer sie gerade standen, fielen die Anwesenden in der Arena auf die Knie. Pándaros tat es seinen unmittelbaren Nachbarn nach. Gleich würde er handeln müssen – er ahnte, dass der Zeitpunkt nahte!
Halkat griff in die lederne Tasche an seiner
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