Runterschalten
widrigen Kurs zu korrigieren, ein anderes Mal, volle Fahrt voraus ins Ungewisse zu steuern. Dazu braucht man viele Fähigkeiten, aber auch eine gut gewartete Ausrüstung. Welche Ausrüstung wir alle brauchen, um Runterschalten zu können, lesen Sie in diesem Kapitel.
Die Kunst des Steuerns: navigieren und driften
Wir alle sind Kybernetiker, wussten Sie das? Kybernetik, das ist die Kunst des Steuerns. Wir stehen am Steuer unseres Lebensschiffs, und das zu steuern kann schwierig sein, denn dabei haben wir es mit vielen komplexen Systemen zu tun: Erstens mit unserer eigenen Persönlichkeit, selbst schon so ein System, und natürlich, um im Bild zu bleiben, auch mit unserer Ausrüstung, unser Inventar für alle Lebensrouten, die wir einschlagen. Und zweitens mit allem, was wie Wind und Wetter „draußen“ ist: Mit dem Freundes- und Familienkreis, mit Organisations- und Gesellschaftsstrukturen. So gesehen, ist Kybernetik die Kunst der Lebensführung. Dummerweise kann man dafür nirgendwo ein Schifffahrtspatent machen.
Als Erdenbürger sind wir in irgendeinem Leben gestrandet. Eine Wahl – dieses Leben auf dem Kleiderbügel dort nehme ich, das da lieber nicht – hatten wir nicht. Aber mittlerweile, nachdem wir eine Weile unterwegs sind, können wir wählen. Wir haben unterschiedliche Positionen an Bord des eigenen Schiffs durchlaufen und können – in Abstimmung mit Wind und Wetter – selbst den Kurs bestimmen. Sie haben natürlich Recht, wenn Sie sagen, den Kurs legt der Kapitän fest, der Steuermann führt ihn nur aus. Aber wir Künstler der Lebensführung sind Einhand-Segler. Die Funktion, zu entscheiden und Entscheidungen umzusetzen, liegt in einer Hand, auch wenn wir dabei die Menschen, die uns wichtig sind, „mit an Bord“ holen sollten. Aber dazu später.
Für das „Bestimmen und Einhalten des Kurses“ sind zwei Fähigkeiten des Steuermanns entscheidend: Navigieren und Driften. Wenn es einen TÜV für Führungskräfte gäbe, müssten diese beiden Fähigkeiten auf dem Prüfstand stehen: Wer sich selbst nicht führen kann, wird auch andere nicht führen können.
Navigieren bedeutet, das Ziel aktiv und bewusst zu bestimmen, den Kurs dorthin abzusetzen und auch selbst zum Ziel zu steuern. Damit sind nicht nur Langzeitziele gemeint. Unser innerer Navigator ist auch im Spiel, wenn es darum geht, etwa mit Stimmungstiefs und Hochs umzugehen, mit Launen, Motivationslöchern und sonstigen Schwankungen unserer Inneneinrichtung. Er wird versuchen, die inneren Abweichler „auf Kurs“ zu halten, um das Ziel zu erreichen. Dazu braucht der Steuermann einen guten Draht zu seiner Innenausstattung, er muss Bauchgefühle als Botschaften aus dem „Rumpf“ erkennen, schätzen und auswerten können. Er muss wissen, wann es sinnvoll ist, diesen Bauchgefühlen Raum zu geben, ihnen zu vertrauen und zu folgen, oder wann die kühlen Berechnungen des Kopfes wertvoller sind.
Driften wiederum kommt an Bord in zwei Varianten vor: Vom Steuermann gewollt, also kontrolliert, oder eben nicht. Kontrolliert driften heißt, Sie entscheiden sich bewusst dafür und überlassen sich, weil es momentan ratsam erscheint, für eine selbst bestimmte Zeitspanne den Gegebenheiten. Genau wie beim Navigieren gibt es das durch Lebensphasen Driften und das gedankliche Driften: das Draußen auf sich zukommen lassen und in der Innensicht neu erleben, sich treiben lassen bei geöffneten Augen, um dabei für all das offen zu sein, was vorbeischwimmt und beim bewussten Steuern in eine Richtung übersehen werden kann. Für kreative Prozesse ist diese Art des gedanklichen Abschweifens überaus wertvoll: Ideen finden und gestalten durch kontrolliertes Driften, aktives Passiv-Sein. Es ist ein Tauchgang in die Innenwelt, bei dem man selbst Anfang und Ende setzt. Haben Sie heute schon gedriftet? Das kontrollierte Driften hat noch einen Vorteil: Ein paar Minuten wegdriften entlastet den Steuermann, es ist erholsam.
Was aber, wenn der Steuermann Fische füttert, noch wenig Erfahrung am Steuer hat oder lieber in der Sonne liegt? Dann fährt unser Lebensschiff ohne Steuermann, mit ein paar allgemeinen Voreinstellungen vielleicht – bestenfalls auf Autopilot. Das Risiko dabei ist, dass der Betroffene das nicht unbedingt merkt und sich auf der sicheren Seite wähnt. Erst in der Rückschau fällt ihm auf, dass er ohne eigene Kontrolle gedriftet ist.
Das gedanklich unkontrollierte Driften heißt nicht unbedingt, dass Sie ständig in irgendwelchen Rauschzuständen
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