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Russische Volksmaerchen

Russische Volksmaerchen

Titel: Russische Volksmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Dietrich
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und sprach zu ihr: »Meine Frau Mutter, sage mir die Wahrheit: habe ich einen Vater oder nicht?" – Die Zarewna Anastasia seufzte tief und sagte mit Thränen: »Du hast einen Vater, den mächtigen und tapfern Ritter Jeruslan Lasarewitsch; er ist in das Jungfernreich zu der Sonnenstadt gereist.«
    Jeruslan Jeruslanowitsch fing an, sich zu rüsten, um zu seinem Vater zu reisen, und seine Mutter Anastasia Worcholomejewna gab ihm einen goldenen Ring mit jenem Edelsteine. Jeruslan Jeruslanowitsch sattelte sich sein gutes Roß, nahm Abschied von Mutter und Großvater und ritt fort, um seinen Vater aufzusuchen.
    Eines Tages früh im Morgenroth gelangte er in's Jungfernreich an die Sonnenstadt. Um diese Zeit lag Jeruslan Lasarewitsch noch auf seinem Lager, und als er die Ritterstimme hörte, sprach er: »Ich höre, daß ein junger Ritter zu unserem Reiche gekommen ist. Ich will gehen und ihn tödten. Da befahl er, sein gutes Roß zu satteln, setzte sich dann auf, nahm seinen Schild in die Hand, unter den Arm die Lanze, und ritt in's freie Feld. Wie zwei helle Falken auf einander stürzen, so stürzten die beiden gewaltigen Ritter, Vater und Sohn, auf einander zu, und als sie den Anlauf genommen, stieß Jeruslan Jeruslanowitsch seinen Vater mit dem stumpfen Ende seiner Lanze so gegen das Herz, daß er ihn beinahe aus dem Sattel gehoben hätte. Da sprach Jeruslan Lasarewitsch: »Junges Kind, du spaßest nicht fein.« Dann nahm sie wieder den Anlauf, und Jeruslan Lasarewitsch stieß seinen Sohn mit dem stumpfen Ende gegen das Herz, und warf ihn aus dem Sattel; das Roß Uroschtsch Weschei trat ihm auf die Kehle und drückte ihn an den Boden. Jeruslan Lasarewitsch wendete das scharfe Ende seines Speeres, und wollte ihm bösen Tod geben. Jeruslan Jeruslanowitsch aber faßte die Lanze mit der rechten Hand, und der goldene Ring mit dem Edelsteine blitzte an seinem Finger. Da fragte ihn Jeruslan Lasarewitsch: »Woher kommst du, Jüngling? welches Vaters und welcher Mutter Sohn bist du? und wie nennest du dich?«
    Ihm antwortete jener: »Ich komme aus der Stadt Debri im Reiche des Zaren Worcholomei. Mein Vater heißt Jeruslan Lasarewitsch, und die Mutter ist die Zarewna Anastasia Worcholomejewna. Aber ich kenne meinen Vater nicht, und deßwegen bin ich in das Jungfernreich zu der Sonnenstadt gereist, um meinen Vater zu sehen. Mein Name ist Jeruslan.« –
    Da stieg Jeruslan von seinem guten Rosse, hob seinen Sohn bei der Hand auf, küßte ihn auf die Zuckerlippen, drückte ihn an sein Herz und nannte ihn seinen lieben Sohn. Dann setzten sie sich auf ihre guten Rosse, und ritten zu der Stadt Debri. Als sie in das Reich des Worcholomei gelangten, fanden sie in der Stadt Jammer und Klagen, denn der Zar Worcholomei war gestorben. Die Einwohner erkannten sie aber und verneigten sich vor ihnen und sprachen zu Jeruslan Lasarewitsch: »Sei gegrüßt, unser Herr Jeruslan Lasarewitsch mit deinem Sohne Jeruslan Jaruslanowitsch! Unser Zar hat dir die Herrschaft über unser Reich hinterlassen.« – Dann trat die Zarin Anastasia Worcholomejewna aus ihrem Palaste, fiel zur Erde und sagte mit Thränen: »O meine rothe Sonne, von wo bist du aufgegangen und hast uns erwärmt? von wo ist die Morgenröthe aufgeglänzt?« – Sie nahm ihn bei den weißen Händen, führte ihn in die zarischen Gemächer, küßte ihm die Zuckerlippen und drückte ihn an ihr treues Herz. Alle Einwohner, Fürsten und Bojaren verneigten sich vor ihm und brachten reiche Geschenke.
    In großen Ehren bestieg Jeruslan Lasarewitsch den Thron, ergriff das Zepter, legte den Purpur an und setzte die goldene Krone auf. Dann rief er seinen Sohn Jeruslan Jaruslanowitsch zu sich und sprach zu ihm: »Mein liebes Kind, reite du in das freie Feld, nimm dir ein Ritterroß und Ritterrüstung, schnalle das Schlachtschwert um, und nimm die Lanze. Sitze fest auf deinem Rosse und sei im Felde ein mächtiger und berühmter Ritter, wie ich war. Du bist auf mich eingeritten, und hast mich so gegen das Herz gestoßen, daß ich mich kaum im Sattel halten konnte. Wenn du einem Andern einen solchen Stoße gegeben hättest, so wäre er nicht am Leben geblieben. Reite in das Reich Daniil's des Weißen, zu dem Zaren Kartaus, und zu deinem Großvater, dem Fürsten Lasar Lasarewitsch, dann zu meinem Schwertbruder, dem Fürsten Iwan, dem russischen Ritter, welcher jezt in dem Reiche des Zaren Feodul, des Drachenkönigs, herrscht, und zu meinem Schwertbruder, dem mächtigen und berühmten Ritter Raslanei,

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