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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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schönem Aschblond wie bei der überwiegenden Mehrheit der slawischen Bevölkerung. Die Gesichtszüge waren nichtssagend, ausdruckslos, die Augen graublau, die Nase von undeutlicher Form, das Kinn ohne Charakter. Absolut nichts zog den Blick des Betrachters an. Das war keine Physiognomie, sondern eine saubere Leinwand, auf die man zeichnen konnte, was man wollte.
    Momus war mittelgroß, hatte keine besonderen Kennzeichen. Die Stimme allerdings war ungewöhnlich: tief und volltönend, und er hatte gelernt, dieses Instrument in Vollkommenheit zu beherrschen, er konnte im Baß dröhnen, im Tenor bezaubern, konnte fisteln und sogar im Damensopran piepsen.
    Um das Aussehen eines Menschen bis zur Unkenntlichkeit zu verändern, genügt es keineswegs, die Haare zu färben und einen falschen Bart anzukleben. Was den Menschen ausmacht, sind seine Mimik, seine Art zu gehen und sich zu setzen, seine Gesten, seine Intonation, seine Lieblingswörter, die Ausstrahlung seines Blicks. Na, und natürlich die Entourage: Kleidung, erster Eindruck, Name, Titel.
    Hätten Schauspieler das große Geld verdient, so wäre Momus sicherlich ein neuer Stschepkin oder Sadowski geworden. Aber soviel, wie er brauchte, zahlten nicht einmalPetersburger Theater den Hauptdarstellern. Überdies war es unvergleichlich interessanter, Stücke nicht auf der Bühne zu spielen, mit zwei fünfzehnminütigen Pausen, sondern im Leben, täglich, von früh bis spät.
    Wen hatte er in den letzten sechs Jahren nicht alles gespielt! Unmöglich, sich alle Rollen zu merken. Wobei die Stücke stets von ihm selbst verfaßt waren. Momus nannte sie wie ein Militärstratege »Operationen«, und vor Beginn jedes Abenteuers sah er sich selbst gern als Moritz von Sachsen oder Napoleon, aber das waren, seiner Natur entsprechend, natürlich keine blutrünstigen Schlachten, sondern amüsante Spektakel. Die anderen handelnden Personen vermochten den Esprit seiner Kunstwerke vielleicht nicht recht zu schätzen, doch Momus selbst hatte daran ein ungetrübtes Vergnügen.
    Er hatte viele Schauspiele aufgeführt – kleine und große, triumphale und minder erfolgreiche, aber Durchfälle mit Zischen und Pfeifen hatte es bislang nicht gegeben.
    Eine Zeitlang hatte Momus Spaß daran gefunden, das Andenken an nationale Helden hochzuhalten. Das erstemal hatte er, nachdem er auf einem Wolga-Dampfer beim Wint alles verspielt hatte und in Kostroma mit leeren Taschen an Land gegangen war, Spenden für ein Bronzedenkmal Iwan Sussanins gesammelt. Aber die Kaufleutchen knauserten, der Landadel wollte Butter oder Roggen spenden, und so kamen nur lächerliche achttausend zusammen. Dafür stifteten in Odessa vor allem die jüdischen Geschäftsleute reichlich für ein Alexander-Puschkin-Denkmal, und in Tobolsk sammelte das wortgewaltige »Mitglied der KaiserlichenHistorischen Gesellschaft« für Jermak Timofejewitsch 1 bei den Pelzhändlern und Goldsuchern fünfundsiebzigtausend Rubel ein.
    Besonders erfolgreich hatte Momus zwei Jahre zuvor mit der Kreditgenossenschaft »Butterfly« in Nishni Nowgorod agiert. Die Geschäftsidee war einfach und genial und zielte auf die weit verbreitete Sorte Menschen, deren Glauben an ein kostenloses Wunder stärker ausgeprägt ist als die natürliche Vorsicht. Die Genossenschaft »Butterfly« nahm bei den Einwohnern Anleihen zu unglaublich hohen Zinsen auf. In der ersten Woche zahlten nur zehn Personen Geld ein (darunter neun von Momus angeheuerte Strohmänner). Aber als sie am nächsten Montag (die Zinsen wurden wöchentlich abgerechnet) auf jeden eingezahlten Rubel zehn Kopeken bekamen, war die Stadt wie aus dem Häuschen. Im Kontor der Genossenschaft bildete sich eine Schlange, die sich drei Häuserblocks weit hinzog. Nach einer weiteren Woche zahlte Momus wieder zehn Prozent, darauf mußte er noch zwei Räume anmieten und zwölf Annahmekräfte einstellen. Am vierten Montag blieben die Türen des Kontors geschlossen. Der bunte »Butterfly« war für immer von den Ufern der Wolga in andere Gegenden entflattert.
    Jedem anderen hätte allein der Profit von Nishni Nowgorod für den Rest des Lebens gereicht, aber bei Momus hielt sich das Geld nicht lange. Manchmal glich er einer Windmühle, in die ein breiter Strom von Geldscheinen undklingenden Münzen floß. Die Mühle ließ die breiten Flügel ohne Pause kreisen und verarbeitete das Geld zu feinem Mehl – brillantenbesetzte Krawattennadeln, reinblütige Traber, tagelange Gelage und schwindelerregende

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