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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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gestern übernommen und war ganz entkräftet. Sie schlief so tief und fest, daß kein Feueralarm sie geweckt hätte. Die vollen Lippen standen ein wenig offen, beide Hände lagen unter der Wange, die dichten goldblonden Locken waren über das Kissen gebreitet.
    Als sie beschlossen, zusammen zu reisen, hatte Momus ihr gesagt: »Das Leben des Menschen ist wie er selbst, Kindchen. Ist er grausam, so ist sein Leben es auch, ist er furchtsam, so ist es beängstigend, ist er mißmutig, so ist es traurig. Ich aber bin ein fröhlicher Mensch, also ist mein Leben fröhlich, und deins wird es auch sein.«
    Und Mimi trat in das fröhliche Leben ein, als wäre es speziell für sie geschaffen. Dabei war anzunehmen, daß sie mit ihren zweiundzwanzig Jahren genug Bitteres gekostet hatte. Im übrigen fragte Momus sie nicht aus, das war nicht seine Sache. Wenn sie wollte, würde sie von sich aus erzählen. Mimi vergaß Schlechtes rasch und gehörte nicht zu denen, die auf die Tränendrüse drücken.
    Aufgelesen hatte er Mimi im vorigen Frühjahr in Kischinjow, wo sie als äthiopische Tänzerin in einem Varieté auftrat und sich bei den örtlichen Lebemännern einer enormen Beliebtheit erfreute. Mit geschwärzter Haut und gefärbten Löckchen hüpfte sie über die Bühne, bekleidet ausschließlich mit Blumengirlanden und mit Metallreifen an Armen und Beinen. Die Kischinjower akzeptierten sie als eine waschechte Negerin. Anfangs hatten sie freilich Zweifel gehabt, aber ein neapolitanischer Handelsreisender, der inAbessinien gewesen war, behauptete, Mademoiselle Semtschandra spreche in der Tat äthiopisch, und damit war jeder Verdacht zerstreut.
    Gerade dieses Detail war es, das Momus begeistert hatte, denn er schätzte an Mystifikationen die Verbindung von Frechheit und Gewitztheit. Mit glockenblumenblauen Augen und zwar schwärzlichem, doch rein slawischem Lärvchen sich als Äthiopierin auszugeben, dazu gehörte schon allerhand Dreistigkeit. Und dabei auch noch äthiopisch zu lernen!
    Später, als sie sich angefreundet hatten, erzählte Mimi ihm, wie alles gekommen war. Sie hatte in Petersburg gelebt und nach dem Bankrott des Operettentheaters auf dem trockenen gesessen. Per Zufall fand sie bei dem abessinischen Botschafter eine Anstellung als Erzieherin seiner Zwillinge. Der äthiopische Fürst, Ras in seiner Muttersprache, konnte sich nicht genug freuen: Das umgängliche, fröhliche Fräulein gab sich mit einem bescheidenen Gehalt zufrieden und wurde von den Kindern vergöttert, die dauernd mit ihr zu tuscheln hatten und ganz brav waren. Eines Tages aber ging der Ras mit Staatssekretär Morder im Sommergarten spazieren und erörterte mit ihm die schwierigen italienisch-abessinischen Beziehungen, da sah er plötzlich einen Menschenauflauf. Er trat näher – großer Gott von Äthiopien! Die Erzieherin spielte Harmonika, und sein Sohn und sein Töchterchen tanzten und sangen. Das Publikum begaffte die Jungmohren, klatschte Beifall und warf reichlich und von Herzen Geld in den aus einem Handtuch gewundenen Turban.
    Mimi mußte die nördliche Hauptstadt in aller Eile verlassen – ohne Gepäck und ohne Reisepaß. Das alles wäre nicht weiter schlimm gewesen, sagte sie seufzend, nur die kleinen Mohren Mariam und Aseph taten ihr leid. Gewiß hatten sie jetzt ein langweiliges Leben.
    Dafür ist es mir mit dir nicht langweilig, dachte Momus und betrachtete liebevoll die unter der Decke hervorschauende Schulter mit den drei niedlichen Muttermalen in Form eines gleichschenkligen Dreiecks.
    Er legte die Hände unter den Kopf und ließ den Blick durch das Hotelzimmer wandern, das sie tags zuvor bezogen hatten, um ihre Spuren zu verwischen. Ein schickes Appartement: Boudoir, Salon, Arbeitszimmer. Viel vergoldeter Stuck. Im »Loskutnaja« waren die Appartements eleganter gewesen, aber dort hatten sie verschwinden müssen, natürlich ganz offiziell, mit üppigen Trinkgeldern und Posieren vor dem Zeichner des »Moskauer Beobachters«. Auf dem Titelblatt der angesehenen Illustrierten als »Seine Hoheit« zu glänzen konnte nicht schaden, vielleicht kam es ihm einmal zupaß.
    Momus betrachtete zerstreut den unter dem Baldachin angebrachten vergoldeten, pausbäckigen kleinen Amor. Der gipserne Schelm zielte mit dem Pfeil direkt auf seine Stirn. Der Pfeil war eigentlich nicht zu sehen, denn daran hing Mimis Spitzenunterhöschen von der Farbe »loderndes Herz«. Wie war es dorthin gekommen? Mimi hatte doch die Eva gespielt? Ein Rätsel.
    Das

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