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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Smaragd es nicht satt hatte, am Turban zu kleben. Alles Weitere war eine rein technische Frage, und diese Technik beherrschte Mimi bestens.
    Aber dieser Gedankengang, wenngleich einstweilen rein spekulativ, löste bei Momus ein Gefühl aus, als kratzte eine schwarze Katze mit kralliger Pfote an seinem Herzen. Für einen Moment sah er seine Mimi in den Armen eines breitschultrigen, schnauzbärtigen jungen Mannes, der kein Eunuch war, sondern das Gegenteil davon, und dieses Bild gefiel ihm nicht. Natürlich war das Quatsch, würdelos, doch sieh an, er begriff plötzlich, daß er diesen einfachsten und natürlichsten Weg nicht gehen würde, selbst wenn bei dem Sekretär die Möglichkeiten mit den Wünschen übereinstimmten.
    Stopp! Momus sprang vom Schreibtisch, auf dem er gesessen und mit den Beinen gebaumelt hatte (so ließ sich besser nachdenken), und trat ans Fenster. Stopp-stopp-stopp …
    Über die Twerskaja ergoß sich ein ununterbrochener Strom von Equipagen – Schlitten und Kutschen, deren Winterfelgen mit Dornen gespickt waren. Bald kam das Frühjahr mit Schlackerwetter, mit den Großen Fasten, doch heute schien die Sonne, noch ohne zu wärmen, und die Moskauer Hauptstraße bot einen eleganten und lebensfrohen Anblick. Vor vier Tagen waren Momus und Mimi aus dem »Metropol« ins »Dresden« gezogen. Das Zimmer war kleiner,hatte aber dafür elektrisches Licht und Telephon. Im »Metropol« hatten sie nicht länger bleiben können. Dort war immer wieder Sljunkow aufgetaucht, und das war riskant. Der Mann war gar zu unsolide. Er tat Dienst in einer Geheimabteilung, spielte aber Karten und kannte kein Maß. Wenn der schlaue Herr Fandorin oder ein anderer Chef den am Schlafittchen packte und kräftig schüttelte? Lieber nicht. Wer sich selber hilft, dem hilft Gott.
    Das »Dresden« war ein vorzügliches Hotel und lag dem Palast des Generalgouverneurs exakt gegenüber. Dieser war Momus seit der Geschichte mit dem Engländer richtig ans Herz gewachsen.
    Gestern hatte er Sljunkow auf der Straße gesehen. Er war absichtlich auf ihn zugegangen, hatte ihn mit der Schulter gestreift, aber der Schriftführer hatte in dem langhaarigen Stutzer mit dem geschwärzten Schnauzbart den Großhändler Antoine Bonifatjewitsch Daru aus Marseille nicht wiedererkannt. Er hatte »Pardon« gemurmelt und war weitergetrippelt, gebeugt im Schneegestöber.
    Stopp-stopp-stopp, wiederholte Momus im stillen. Konnte er nicht nach seiner Gewohnheit zwei Hasen mit einem Schuß erlegen? Genauer gesagt, den fremden Hasen benützen und den eigenen schützen. Oder, anders ausgedrückt, den Fisch verspeisen, ohne ans Wasser zu reisen. Nein, am genauesten war es so: die Unschuld wahren und Kapital einfahren.
    Nun, das konnte durchaus klappen! Die Umstände waren günstig. Mimi hatte gesagt, daß Tarik Bei ein wenig französisch verstand. »Ein wenig« – das war gerade richtig.
    Von diesem Moment an bekam die Operation einen anderen Namen: »Platonische Liebe.«
    In den Zeitungen hatte gestanden, daß Seine Indische Hoheit nach dem Mittagessen gern vor den Mauern des Nowodewitschi-Klosters spazierenging, wo die Menschen winterliche Vergnügungen genossen. Da gab es Schlittschuhbahnen und hölzerne Rodelberge und diverse Schaubuden – für einen ausländischen Gast allerlei zu sehen.
    Der Tag, wie schon erwähnt, war schön, sonnig, mit leichtem Frost. Darum waren Momus und Mimi, nachdem sie ein Stündchen um den zugefrorenen Teich geschlendert waren, tüchtig durchgefroren. Mimi war noch gut dran. Da sie eine Fürstin spielte, trug sie einen Fehpelz, eine Marderkapuze und einen Muff, so daß der Frost nur ihre Wangen zwickte, doch Momus war die Kälte bis auf die Knochen gedrungen. Zum Nutzen der Sache hatte er sich als alte orientalische Duena herausgeputzt: über der Nase zusammengewachsene dichte Brauen, die Oberlippe absichtlich unrasiert und die Stoppeln geschwärzt, auf der Nase saß ein Zinken wie das Bugspriet einer Fregatte. Das Tuch, unter dem falsche angegraute Zöpfe hervorhingen, und die Hasenfelljacke über dem langen Cape wärmten schlecht, die Füße in den flachen Filzschuhen froren, doch der verdammte Radscha zeigte sich nicht. Um Mimi aufzuheitern und selbst bei Laune zu bleiben, jammerte er von Zeit zu Zeit in singendem Kontraalt: »Sofiko, mein herzliebes Vögelchen, deine alte Amme ist ganz durchgefroren« oder etwas in dieser Art. Mimi prustete und trappelte mit den roten Stiefelchen, um die Füße zu wärmen.
    Endlich geruhten

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