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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Seine Hoheit einzutreffen. Momus sah schon von weitem den geschlossenen, mit blauem Samt ausgeschlagenen Schlitten. Auf dem Bock saß neben dem Kutscher ein Gendarm in Mantel und Paradehelm mit Federbusch.
    Der Prinz, in Zobel gehüllt, den hohen weißen Turban auf dem Kopf, spazierte geruhsam an der Eisbahn entlang und beäugte neugierig die Vergnügungen der nördlichen Menschen. Hinter ihm trippelte eine niedrige vierschrötige Gestalt in fersenlangem Schaffellmantel, mit Tschador und einer runden zottigen Mütze, wohl die treuergebene Amme Suchra. Der Sekretär Tarik Bei, in einem Wollmantel, unter dem die weiße Pluderhose hervorsah, blieb immer wieder zurück: schaute einem Zigeuner mit einem Tanzbären zu oder verweilte bei einem Händler, der einen heißen Honigtrunk feilbot. Als Ehrenwache schritt ein imposanter Gendarm mit grauem Schnauzbart hinterdrein. Das paßte gut, mochte er sich die künftigen nächtlichen Besucherinnen ansehen.
    Das Publikum bekundete für die malerische Prozession starkes Interesse. Die einfacheren Leute bestaunten offenen Mundes den Muselman, zeigten mit dem Finger auf den Turban, den Smaragd, das verhängte Gesicht der alten Orientalin. Die besseren Leute benahmen sich taktvoller, waren aber auch sehr neugierig. Momus wartete ab, bis die Moskowiter sich an den »Indern« satt gesehen hatten und zu ihren Vergnügungen zurückkehrten, dann stieß er Mimi sacht in die Seite – an die Arbeit.
    Sie gingen der Gruppe entgegen. Mimi deutete Seiner Hoheit einen Knicks an, der Prinz nickte gnädig. DemEunuchen lächelte sie freudig zu, dann ließ sie den Muff fallen. Der Eunuch beeilte sich, ihn aufzuheben, wie es sich gehörte, Mimi hockte sich auch hin, und ihre Stirn stieß allerliebst mit der des Asiaten zusammen. Nach diesem kleinen, durchaus harmlosen Vorfall verlängerte sich auf natürliche Weise die Prozession: Vornweg schritt in königlicher Einsamkeit wie zuvor der Prinz, gefolgt von dem Sekretär und der Fürstin, dann die beiden bejahrten orientalischen Damen, und den Abschluß bildete der Gendarm, der die rote Nase hochzog.
    Die Fürstin zwitscherte lebhaft auf französisch und glitt immer wieder aus, um öfter nach der Hand des Sekretärs greifen zu können. Momus versuchte, mit der geehrten Suchra Freundschaft zu schließen, und bekundete ihr mit Gesten und Ausrufen seine Sympathie, schließlich hatten sie vieles gemeinsam: Sie beide waren alte Weiblein, hatten das Leben hinter sich, hatten fremde Kinder aufgezogen. Aber Suchra erwies sich als wahre Furie. Sie zeigte kein Entgegenkommen, sondern kollerte nur ärgerlich hinter ihrem Tschador und fuchtelte mit ihrer kurzfingrigen Hand, die alte Natter – geh weg, ich will allein sein. Kurzum, eine Wilde.
    Dafür lief zwischen Mimi und dem Eunuchen alles aufs beste. Momus wartete ab, bis der willfährige Asiat dem Fräulein endlich eine ständige Stütze in Form seines gebogenen Arms darbot, dann fand er, daß es fürs erstemal reichte. Er holte sie ein und sagte singend mit rauher Stimme: »Sofikooo, mein Täubchen, wir müssen nach Hausä, Tee trinken und Tschurek ässen.«Tags darauf unterrichtete »Sofiko« den Tarik Bei bereits im Schlittschuhlaufen, für das der Eunuch ein außergewöhnliches Talent zeigte. Er war überhaupt anstellig, denn als Mimi ihn in die Tannen lockte und ihm ihre gespitzten Lippen wie zufällig direkt vor die braungefärbte Nase hielt, wich er nicht zurück, sondern gab ihr gehorsam einen Schmatz. Sie erzählte Momus hinterher: »Weißt du, er tut mir so leid. Ich habe ihm die Arme um den Hals gelegt, und er hat gezittert, der arme Kerl. Es ist bestialisch, Menschen so zu verstümmeln.« – »Einer stößigen Kuh gibt Gott keine Hörner«, antwortete der hartherzige Momus leichthin. Die Operation war auf die kommende Nacht anberaumt.
    Tagsüber lief alles wie geschmiert: Die wahnsinnig verliebte Fürstin, die vor Leidenschaft den Kopf verloren hatte, versprach ihrem platonischen Anbeter, ihm in der Nacht einen Besuch abzustatten. Dabei sprach sie von der Erhabenheit der Gefühle und dem Bund liebender Herzen im höheren Sinne, ohne Schmutz und Banalität. Wieviel davon den Asiaten wirklich erreichte, ist ungewiß, aber über den Besuch freute er sich sichtlich, und er erklärte in gebrochenem Französisch, er werde um punkt Mitternacht die Gartenpforte öffnen.
    »Aber ich komme mit meiner Amme«, kündigte Mimi an. »Denn ich kenne euch Männer.«
    Darauf ließ Tarik Bei den Kopf hängen und

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