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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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beiden Inder waren eine Pracht.
    Anissi, bislang vom schönen Geschlecht nicht mit Aufmerksamkeit verwöhnt, stand stocksteif, als er sich im Mittelpunkt eines Blumengartens sah. Die jungen Damen zwitscherten, erörterten hemmungslos die Details seiner Toilette, und eine von ihnen, die zauberhafte georgische Fürstin Sofiko Tschchartischwili, nannte Anissi sogar »hübsches Negerlein«.
    Recht oft erklangen die Worte »das arme Kerlchen«, die ihn tief erröten ließen (was gottlob unter dem Nußsaft nicht zu sehen war).
    Damit aber das mit dem Nußsaft und dem »armen Kerlchen« verständlich wird, müssen wir die Zeit ein paar Stunden zurückdrehen, bis zu dem Moment, als Achmed Chan und sein treuer Sekretär sich darauf vorbereiteten, zum erstenmal auszugehen.
    Fandorin, schon mit pechschwarzem Bart, aber noch im Hausmantel, schminkte Anissi selbst. Zuerst nahm er ein Fläschchen mit schokoladenbrauner Flüssigkeit. Das sei, erklärte er, ein Auszug aus brasilianischen Nüssen, und rieb ihm das sämige duftende Öl in die Gesichtshaut, die Ohren, die Augenlider. Dann klebte er ihm einen dichten Bart an, riß ihn wieder ab, klebte einen anderen an, eine Art Ziegenbart, verwarf auch den.
    »Nein, Tulpow, ein M-Muselman wird nicht aus Ihnen«, konstatierte er. »Ich habe Sie voreilig Tarik Bei genannt. Als Hindu hätte ich Sie deklarieren sollen, als einen Tschandragupta.«
    »Vielleicht genügt ein Moustache, ohne Vollbart?« fragte Anissi, der schon lange von einem richtigen Schnurrbart träumte, da bei ihm nur einzelne Büschelchen wuchsen.
    »Das geht nicht. Nach orientalischer Etikette wäre das für einen Sekretär zu stutzerhaft.« Fandorin drehte Anissis Kopf nach links und rechts und erklärte: »Es nützt alles nichts, wir müssen einen Eunuchen aus Ihnen machen.«
    Er mischte gelbe Schmiere hinzu und verrieb sie auf den Wangen und unterm Kinn. Dann besah er das Resultat und war zufrieden.
    »Ein waschechter Eunuch.«
    Aber damit waren Anissis Prüfungen noch nicht beendet.
    »Da Sie nun ein Muselman sind, müssen die Haare runter«, gebot Fandorin.
    Anissi, niedergeschmettert durch die Verwandlung in einen Eunuchen, ertrug ohne Murren die Kopfrasur, die Masa geschickt mit einem extra scharfen japanischen Dolchvornahm. Fandorin rieb Anissis kahlen Schädel mit braunem Zeug ein und kommentierte: »Er glänzt wie eine K-Kanonenkugel.«
    Dann zauberte er mit einem kleinen Pinsel an Anissis Augenbrauen und verschönte die Augen: »Braun und etwas schräg. Genau richtig.«
    Er befahl Anissi, eine überweite seidene Pluderhose und ein gemustertes Jäckchen anzuziehen, darüber einen Chalat. Auf den kahlen Kopf und die unglückseligen Ohren stülpte er einen Turban.
    Langsam und steifbeinig trat Anissi zum Spiegel. Er war auf einen ungeheuerlichen Anblick gefaßt. Doch er wurde angenehm überrascht: Aus dem Bronzerahmen sah ihn ein schöner Mann an – ohne Pickel, ohne abstehende Ohren. Schade, daß er nicht immer so durch Moskau laufen konnte.
    »Fertig«, sagte Fandorin, »nur die Hände und den Hals müssen Sie noch einreiben. Und vergessen Sie die Knöchel nicht, Sie müssen ja in Latschen gehen.«
    Mit den vergoldeten Saffianpantoffeln, die Fandorin so unromantisch als Latschen bezeichnet hatte, zu gehen war ungewohnt und schwierig. Darum stand Anissi auf dem Ball da wie ein Ölgötze. Wenn er sich bewegte, so fürchtete er, würde er einen davon verlieren, wie es ihm schon auf der Treppe passiert war. Als die schöne Georgierin auf französisch fragte, ob Tarik Bei nicht einen Walzer mit ihr tanzen wolle, erschrak er heftig, und anstatt laut Instruktion schweigend eine orientalische Verbeugung zu geben, patzte er und stammelte leise: »Non, merci, je ne danse pas.« 3
    Gottlob hatten die anderen Mädchen sein Gemurmel nicht verstanden, sonst würde es Komplikationen gegeben haben. Takir Bei durfte ja keine einzige menschliche Sprache verstehen.
    Anissi drehte sich beunruhigt nach seinem Chef um. Der plauderte schon minutenlang mit einem gefährlichen Gast, dem britischen Indologen Sir Marvell, einem stocklangweiligen Gentleman mit dicken Augengläsern. Als Achmed Chan vorhin auf dem obersten Treppenabsatz dem Generalgouverneur seine Verbeugung machte, hatte der nervös geflüstert (Anissi hatte es teilweise mitgehört): »Den hat der Satan hergeschleppt … Ausgerechnet ein Indologe … Rausschmeißen kann ich ihn nicht, er ist Baronet … Und wenn er Sie nun entlarvt?«
    Doch nach dem friedlichen Geplauder

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