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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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einen schmeichelnden Ton. »Hab keine Angst vor mir, Samson. Ich brauche Leute wie dich. Willst du unermeßliches Geld, gegen das dein schäbiger Sack eine Handvoll Staub ist?« Verächtlich stieß er den Sack mit dem Fuß an. »Dein Sack bleibt dir ja, mußt nicht so zittern. Soll ich dir hundert solche Säcke geben? Oder genügt dir das nicht? Willst du mehr? Willst du Macht über die Menschen?«
    Jeropkin schluckte, sagte aber nichts.
    »Sprich mir den Großen Schwur nach, und du bist mein immerdar! Willst du?«
    Das letzte Wort hatte er so laut gebellt, daß es in dem alten Gemäuer gehörig widerhallte. Jeropkin duckte sich und nickte.
    »Du, Asael, stellst dich zu meiner Linken«, befahl der Greis dem Knaben, und der huschte hinter den Tisch und baute sich neben ihm auf.
    »Sobald die vierte Kerze erlischt, sprecht mir Wort für Wort nach«, gebot der geheimnisvolle Greis. »Und seht nicht zu mir, sondern nach oben!«
    Er überzeugte sich, daß die vier künftigen Diener des Teufels gehorsam den Kopf zurückgelegt hatten, und löschte die letzte Kerze, dann kniff er die Augen zu und stieß Mimi in die Seite: sieh nicht hin!
    Noch einmal dröhnte es aus der Dunkelheit: »Nach oben! Nach oben!«
    Mit einer Hand zog er den Sack zu sich heran, mit der anderen schickte er sich an, den Knopf zu drücken.
    Ganz oben, wohin das Licht der Kerzen nicht gereicht hatte, als sie noch brannten, hatte Momus ein Magnesium-Blitzlicht installiert, die neueste deutsche Erfindung für das Photographieren. Wenn das in der pechschwarzen Finsternis unerträglich grell aufflammte, würden Jeropkin und seine Halsabschneider für fünf Minuten erblinden. Derweil würde das fröhliche Trio – Momus, Mimi und der Sack – durch die beizeiten geölte Hintertür entschlüpfen.
    Vor dieser Tür wartete ein kleiner Schlitten, und das munterePferdchen war gewiß schon ungeduldig. Wenn der Schlitten erst mal losgesaust war, dann suche ihn nur, Samson, wie die Stecknadel im Heu.
    Die Operation war ein wirkliches Kunstwerk.
    Los!
    Momus drückte den Kopf. Etwas zischte, aber der flammende Blitz blieb aus.
    Ausgerechnet jetzt eine Panne! Das also war der gepriesene technische Fortschritt! Bei der Generalprobe hatte es ideal geklappt, und bei der Premiere lief es schief!
    Mit einem stillen Fluch nahm Momus den Sack auf und zupfte Mimi am Ärmel. Möglichst lautlos wichen sie zum Ausgang.
    Und da erwachte das verdammte Blitzlicht: Es zischte, ein dunkles Flämmchen zuckte, eine weiße Qualmwolke breitete sich aus, und das Innere der Kapelle wurde von schwachem Flackerlicht erhellt. Deutlich waren die vier erstarrten Gestalten auf der einen und die zwei schleichenden Gestalten auf der anderen Seite des Tischs zu erkennen.
    »Halt! Wohin?« kreischte Jeropkin. »Her mit dem Sack! Schnappt sie euch, Jungs, das sind Freimaurer! Diese Lumpen!«
    Momus stürzte zur Tür, zum Glück erlosch das Licht, doch da pfiff es in der Luft, und eine straffe Schlinge schnürte ihm die Kehle zu. Der verdammte Kusma mit seiner widerlichen Peitsche! Momus ließ den Sack los, griff sich an den Hals, röchelte.
    »Momtschik, was ist?« Die nichtsahnende Mimi zerrte an ihm. »Komm doch!«
    Aber zu spät, derbe Hände aus der Dunkelheit packten ihn am Kragen, warfen ihn zu Boden. Vor Entsetzen und Luftmangel verlor Momus das Bewußtsein.
    Als das Bewußtsein zurückkehrte, sah er als erstes purpurrote Schatten über die verräucherten Deckenfresken huschen. Auf dem Fußboden brannte flackernd eine Laterne, die wohl aus dem Schlitten geholt worden war.
    Momus begriff, daß er auf dem Boden lag und seine Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren. Er drehte den Kopf hin und her, um die Situation zu klären. Sie war so scheußlich, daß es scheußlicher nicht ging.
    Mimi hockte zusammengekrümmt am Boden, und über ihr ragte wie ein Berg das stumme Ungeheuer Kusma und streichelte liebevoll seine Peitsche. Bei deren Anblick zuckte Momus zusammen. Die Schürfwunde am Hals brannte schmerzhaft.
    Jeropkin saß auf einem Stuhl, puterrot, schweißüberströmt. Seine Exzellenz mochten tüchtig getobt haben, während Momus in seligem Vergessen lag. Die beiden Knechte standen auf Zehenspitzen auf dem Tisch und montierten dort etwas. Momus blickte genauer hin und sah zwei Seile herabhängen, und diese Vorrichtung mißfiel ihm außerordentlich.
    »So, meine Täubchen«, sagte Jeropkin herzlich, als er sah, daß Momus aufgewacht war. »Ihr wolltet also Jeropkin ausplündern? Schlau

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