Russisches Poker
stieg der stumme Kusma aus, spähte argwöhnisch nach allen Seiten (Momus duckte sich), umkreiste die Eiche, winkte. Jeropkin trat näher, hielt den gottseligen Paisssi fest an der Hand. Auf dem Kutschbock saßen zwei weitere Männer.
Der Knabe Paisssi ging zu der Eiche, verneigte sich tief vor ihr, zeigte auf die vereinbarte Stelle.
»Hier grabet.«
»Bringt die Spaten!« rief Jeropkin zum Schlitten.
Die beiden kräftigen Burschen traten herbei, spuckten in die Hände und hackten auf die gefrorene Erde ein. Sie gab überraschend leicht nach, und sehr bald tönte ein Klirren (Momus war zu faul gewesen, tiefer zu graben).
»Da ist was, Samson Charitonowitsch!«
»Was ist da?«
»Was aus Eisen.«
Jeropkin plumpste auf die Knie und scharrte mit den Händen die Erdklumpen auseinander.
Mühsam, ächzend zerrte er aus der Erde ein vom Alter grün angelaufenes Messinggefäß, eine Kasserolle, die aus der Zeit vor dem großen Brand stammen mochte (Momus hatte sie für einen halben Rubel bei einem Trödler erstanden). Jeropkin hielt sie ins Licht der Schlittenlaterne, und sie glänzte matt.
»Gold!« rief Jeropkin. »Viel Gold!«
Er schüttete schwere Münzen in die Hand, hielt sie dicht vor die Augen.
»Das sind nicht meine Goldstücke! Kusma, reiß ein Zündholz an!«
Dann las er laut: »›An-na Kai-se-rin Selbst-herrr-scherin …‹ Ein alter Schatz! Das sind mindestens tausend Goldstücke!«
Momus hatte noch Verzwickteres beschaffen wollen, Münzen mit hebräischen Buchstaben oder arabischen Schriftzeichen, aber das wäre gar zu teuer gekommen. So hatte er goldene Dublonen aus der Zeit der Kaiserin Anna und Halbimperiale aus Katharinas Zeit gekauft, zwanzig Rubel das Stück. Ob volle tausend oder nicht, jedenfalls sehr viele, zum Glück gab’s in den Altwarenbuden des Sucharewka-Markts genug davon. Jeropkin würde die Münzen später zählen, bestimmt sogar, und er würde auf eine keineswegs zufällige Zahl kommen, die von Bedeutung war.
»Schlecht steht’s um deine Dinge, Samson«, sagte aufschluchzend der Knabe. »Sie vergibt dir nicht, Unsere Liebe Frau, sie kauft sich los.«
»Hä?« fragte Jeropkin, den der Glanz ganz benommen machte.
Viele Goldmünzen auf einem Haufen sind eine feine Sache. In Papiergeld ist die Summe nicht gerade astronomisch, aber in Goldmünzen kann sie einen habgierigen Menschen um den Verstand bringen. Diese merkwürdige Eigenschaft des Goldes hatte sich Momus mehr als einmal zunutze gemacht. Jetzt kam es darauf an, Jeropkin keine Atempausezu geben. Dem Gierschlund sollte sich der Kopf drehen, das Gehirn versagen. Los, Mimi, dein Auftritt!
»Entweder hast du wieder zuwenig gespendet, oder du findest überhaupt keine Vergebung«, sprach der Gottesnarr kläglich. »Bei lebendigem Leibe wirst du verfaulen, du arme Waise!«
»Was, keine Vergebung?« fragte Jeropkin beunruhigt, und Momus in seinem Gebüsch konnte sogar aus zehn Meter Abstand sehen, daß Tropfen auf seiner Stirn glänzten. »Wenn’s zuwenig ist, geb ich mehr. Ich hab massenhaft Geld. Sag, wieviel ich geben soll.«
Paissi antwortete nicht, er wiegte sich hin und her.
»Ich sehe. Sehe eine dunkle Kammer. Ikonen an den Wänden, ein ewiges Lämpchen brennt. Ich sehe ein Federbett mit Daunen, viele Kissen mit Schwanenflaum. Unterm Bett ist es dunkel, stockdunkel. Dort ist das goldene Kalb … Ein Bastsack, vollgestopft mit Geldscheinen. Von dem kommt alles Übel.«
Der stumme Kusma und die Spatenmänner rückten näher, ihre Gesichter waren wie verblödet. Jeropkins glattrasiertes Kinn zitterte.
»Unsere Liebe Frau will dein Geld nicht«, sang der Knabe mit seltsamer, aufschluchzender Stimme (angereichert mit Modulationen aus der »Bajadere«, dachte Momus). »Sie will, die Fürsprecherin, daß du dich reinigst. Daß auch dein Geld rein wird, Samson. Es ist schmutzig, darum meidet dich das Glück. Ein Gerechter muß es segnen, muß mit seiner sündenfreien Hand den Segen erteilen, dann wird es rein. EinGerechter, ein heiliger Mann, der auf einem Aug nicht sehen kann, einen Arm, ein Bein nicht heben kann.«
»Wo krieg ich solch einen her?« fragte Jeropkin kläglich und schüttelte Paissi bei den mageren Schultern. »Wo find ich solch einen?«
Paissi neigte den Kopf, horchte auf etwas und sagte leise: »Eine Stimme kommt … aus der Erde … zu dir … Hör auf sie.«
Und dann leistete sich Mimi ein tolles Stück – sang plötzlich mit ihrem normalen Sopran ein französisches Chanson aus der Operette »Das
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