Russisches Poker
himmlische Königin!«
»›Pikbube‹?« Der Fürst konnte es noch immer nicht fassen. »Aber so heißt doch eine Betrügerbande! Das sind dieLeute, die letzten Monat dem Bankier Poljakow seine eigenen Traber verkauft haben. Und dem Kaufmann Winogradow haben sie Weihnachten geholfen, im Flüßchen Setuni Goldsand zu waschen. Baranow hat es mir gemeldet. Wir müssen die Übeltäter finden, hat er gesagt. Da habe ich noch gelacht … Sollten die es gewagt haben, mich … mich … Dolgorukoi …?« Der Generalgouverneur riß den goldgestickten Kragen auf, und sein Gesicht wurde so furchteinflößend, daß Anissi den Kopf zwischen die Schultern zog.
Wedistschew hüpfte wie ein aufgestörtes Huhn zu dem ergrimmten Fürsten und kakelte: »Wladimir Andrejewitsch, Alter schützt vor Torheit nicht, was hilft das Grämen! Ich gebe Ihnen gleich Baldriantropfen und hole den Arzt, damit er Sie zur Ader läßt! Innokenti, einen Stuhl!«
Anissi war schneller mit einem Stuhl bei dem Fürsten. Der erregte Generalgouverneur wurde auf das Polster gesetzt, wollte aber immer wieder hoch und stieß den Kammerdiener weg.
»Wie einen Krämer! Bin ich ein kleiner Junge oder was? Denen zeig ich’s, von wegen Veteranenheim!« schrie er nicht sehr zusammenhängend. Wedistschew ließ beruhigende Laute hören und streichelte einmal sogar Seine Erlaucht über die gefärbten, vielleicht sogar unechten Locken.
Der Generalgouverneur wandte sich Fandorin zu und sagte kläglich: »Erast Petrowitsch, mein Freund, was geht bloß vor? Diese Räuber sind ja außer Rand und Band! Sie beleidigen, erniedrigen, verhöhnen ganz Moskau in meiner Person! Bringen Sie die Polizei und die Gendarmerie auf Trab, aber fangen Sie die Halunken! Vor Gericht mit ihnen!Nach Sibirien! Sie schaffen das doch, mein Bester! Betrachten Sie das ab jetzt als Ihre Hauptaufgabe und als meinen persönlichen Wunsch. Baranow allein wird damit nicht fertig, er soll Ihnen helfen.«
»Nicht die Polizei«, sagte der Hofrat, und in seinen blauen Augen blitzten keine Fünkchen mehr, das Gesicht zeigte nur Besorgnis um die Autorität der Macht. »Wenn sich das herumspricht, lacht die ganze Stadt sich sch-schief. Das dürfen wir nicht zulassen.«
»Erlauben Sie mal«, brauste der Fürst wieder auf. »Sollen wir sie vielleicht gewähren lassen, diese ›Pikbuben‹?«
»Keineswegs. Ich übernehme diese S-Sache. Aber vertraulich, ohne es an die große Glocke zu hängen.« Fandorin überlegte ein wenig und fuhr dann fort: »Lord Pitsbrook wird man das Geld aus der Staatskasse zurückzahlen müssen, auch sich entschuldigen. Aber kein Wort von dem ›Pikbuben‹. Es sei ein Mißverständnis. Der Enkel habe eigenmächtig gehandelt.«
Als der Engländer seinen Namen hörte, stellte er dem Hofrat eine beunruhigte Frage, der antwortete kurz und wandte sich dann wieder an den Generalgouverneur: »Frol Grigorjewitsch soll sich was Glaubhaftes für die Dienerschaft einfallen lassen. Ich mache mich auf die Suche.«
»Wollen Sie die Gauner denn ganz allein suchen?« fragte der Kammerdiener zweifelnd.
»Ja, es wird schwierig. Aber wir dürfen den Kreis der Eingeweihten nicht vergrößern.«
Fandorin warf einen Blick auf den bebrillten Sekretär, den der Fürst »Innokenti« genannt hatte, und schüttelte denKopf. Innokenti eignete sich wohl nicht als Helfer. Dann drehte sich der Hofrat zu Anissi um, und der erstarrte, da er sich seiner Unscheinbarkeit bitter bewußt war: jung, dürr, pickelig und mit abstehenden Ohren.
»Ich … Ich werde stumm sein«, stammelte er. »Ehrenwort.«
»Wer ist denn das?« bellte Seine Erlaucht, der wohl erst jetzt die klägliche Figur des Botengängers wahrnahm. »Wieso ist er hier?«
»Das ist Tulpow«, erklärte Fandorin. »Aus der Gendarmerieverwaltung. Ein erfahrener Agent. Er wird mir h-helfen.«
Der Fürst musterte den sich duckenden Anissi und zog drohend die Augenbrauen zusammen.
»Paß mir auf, Tulpow. Wenn du nützlich bist, mache ich einen Menschen aus dir. Aber wenn du Mist machst, zerstoß ich dich zu Pulver.«
Als Fandorin und der verstörte Anissi zur Treppe gingen, hörten sie noch Wedistschew sagen: »Wladimir Andrejewitsch, wie Sie meinen, aber die Staatskasse ist leer. Der Engländer wird sich mit der Entschuldigung begnügen müssen.«
Draußen wartete eine weitere Überraschung auf Anissi Tulpow.
Der Hofrat zog die Handschuhe an und fragte plötzlich: »Stimmt es, daß Sie Ihre kranke Schwester versorgen und sich geweigert haben, sie in
Weitere Kostenlose Bücher