Rywig 10 - Machst Du mit Senta
hätte das Touristen-Eßlokal geplündert und all die angeketteten Hunde gefüttert. Hundehütten gab es nicht. Die Tiere hatten selbst Höhlen gegraben, wo sie gegen Regen, Wind und eisige Winterkälte Schutz suchten.
Ich wechselte einen Blick mit Sonja. Ich glaube, wir dachten beide an ihren Hasso mit seinem gepflegten Fell, mit seinem molligen Körbchen, mit den regelmäßigen Mahlzeiten und dem stets gefüllten Wassernapf. Und vor allem: mit all der Liebe, die ihm entgegengebracht wurde! Ob diese Eskimohunde wohl jemals gestreichelt wurden? Ob sie jemals ein liebes Wort zu hören bekamen?
Es wurde uns eine Schule und ein Krankenhaus gezeigt, zwei gut erhaltene, hell gestrichene Holzgebäude. Das Krankenhaus hatte vierzehn Betten, erzählte unser Führer. In regelmäßigen Zeitabständen kam ein Arzt aus Fairbanks und blieb zwei Wochen. Also mußte man seine Wehwehchen aufheben bis der Arzt da war. Nun ja, in ganz schlimmen Fällen mußte man den Patient nach Fairbanks fliegen, da war ja ein regelmäßiger Flugverkehr.
„Bevor wir den Flugplatz bekamen, waren wir allerdings sehr isoliert“, erzählte der Führer. „Damals waren die Schiffe unsere einzige Verbindung mit der Außenwelt, und der Hafen ist nur zwei Monate im Jahr eisfrei! Wenn damals ein Schiff kam, mit Post und Waren, und vielleicht sogar Besuch, dann waren Festtage im Dorf!“
Er erzählte weiter, daß man vor einigen Jahren angefangen hatte, in und um Point Barrow nach Öl zu suchen. Aber es ging wie es in einem alten norwegischen Spruch heißt: „Wer sucht, der findet, aber nicht immer das, was er sucht.“ Was man fand, war nämlich Erdgas. Was an sich ein Segen war, denn jetzt wurde jedes Haus mit Erdgas geheizt und alles mit Erdgas gekocht. Nur hatte man die Gasleitungen in einer Weise gelegt, die beileibe nicht zur Verschönerung des Ortes beitrug: Überall waren etwa einen halben Meter hohe Holzpflöcke in der Erde befestigt, und die Gasrohre an diesen anmontiert. So streckten sich die Metallrohre in einem halben Meter Höhe von
Holzpflock zu Holzpflock und bildeten eine Art übergroßes Spinnennetz zwischen Häusern und Hütten.
Ein Hotel war auch da! Ein rührendes kleines weißes Holzhaus mit dem Namen „Arctic“ - wie könnte es anders heißen? - auf einem blauen Schild. „Gott sei Dank, daß wir da nicht übernachten werden“, flüsterte ich Rolf zu.
Dann erzählte man uns, daß Süßwasser das größte Problem sei. In ganz Point Barrow gab es keine Dusche und keine Spültoilette. Dann war ich noch mehr erleichtert bei dem Gedanken, daß wir in wenigen Stunden zurückfliegen würden - ich freute mich schon auf die Dusche in unserem Hotelzimmer in Fairbanks.
Geschweige denn auf die Spültoilette!
Aber war auch Süßwasser rar, gab es um so reichlicher Salzwasser. Dicht am Ufer des Eismeeres wurden wir aus dem Bus herausgelassen. Gesegnet seien die Anoraks und die Parkas, denn die Kälte hier am Ufer war nicht von Pappe!
Große, dicke Eisschollen trieben im Wasser, zum Teil ganz dicht am Ufer. Weiter weg war das Dauereis, das ,ewige Eis’, wie eine zusammenhängende, grünlich weiße Kette zu sehen.
Wir wanderten am Ufer entlang. Das Laufen war anstrengend, denn bei jedem Schritt sanken die Füße in den groben, dunklen, lockeren Sand, der beinahe kein Sand, sondern eher eine Art schwarzer Schutt war. Unaufhörlich mußten wir die Schuhe ausziehen, und auf einem Bein stehend, all die kleinen Steine ausschütten.
Dann ging es zum Mittagessen. Für die Touristen war ein Restaurant errichtet worden, auch ein Holzhaus. Das Lokal war recht ordentlich, mit langen Tischen, einem kleinen Andenkenladen in einer Ecke und vor allem mit einer molligen Wärme aus einem großen Gaskamin. Das Essen war sättigend, wenn auch nichts für verwöhnte Gaumen. Daß überall Brotkörbe herumstanden, notierte ich mit Freude. Ich sammelte alles, was an Brotresten liegenblieb - Sonja tat dasselbe. Damit wollten wir so viele Hunde wie möglich glücklich machen!
Die Gelegenheit dazu kam gleich nach dem Essen. Jetzt sollten uns echte eskimoische Schlittenhunde vorgeführt werden. Wie man auf diesem Schutt Schlitten fahren wollte, war mir allerdings ein Rätsel.
Nun, die Vorführung fand auf einem schuttfreien Weg statt, und an den Schlitten hatte man alte Autoräder anmontiert. Das ganze wurde von acht lustlosen Hunden gezogen, einmal hin, einmal zurück, dann dasselbe noch einmal, fertig. Es war das einzige Hundegespann des Ortes und wurde
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