"Saarland:Krimiland": Fünf Autoren, Fünf Fälle (German Edition)
interessiert sich nicht für Mädchen. Und seine Freunde habe ich schon alle angerufen. Keiner weiß was.“
Hauptkommissar Berwanger grübelte. Dann b eschloss er doch das Risiko einzugehen, die nette Frau Özgül etwas zu verunsichern.
„Wissen Sie, dass aus diesem Haus seit der letzten Woche zwei weitere Personen als vermisst g emeldet sind.“ Die Frau mit dem Kopftuch wurde bleich. Offenbar war ihr diese Tatsache nicht bekannt. Und ihr Kopf schien genug Fantasie zu besitzen, um unangenehme Schlüsse zu ziehen. „Der Kontakt unter den Mietern hier ist nicht so groß. Außerdem gibt es im Haus eine große Fluktuation. Darf ich fragen, wer noch fehlt?“ – „Natürlich, denn ich will ja von Ihnen wissen, ob ein Zusammenhang zu Murat bestehen könnte. Magdalena de Rosario und Nora La Binnak heißen die beiden verschwundenen Frauen.“
„Magdalena kenne ich. Das ist die Tochter der Italiener im zweiten Stock. Sie ist in Murats Alter. Ein freundliches Mädchen. Ich hatte eigentlich die stille Hoffnung, Murat könnte sich für sie interessieren. Aber wie g esagt … Und Nora La Binnak habe ich vermutlich drei oder viermal auf der Straße gesehen. Sie ist wohl noch sehr jung und wohnt mit ihrem Mann zusammen im Erdgeschoss, allerdings noch nicht sehr lange. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen.“
„Kann ich mal kurz das Zimmer von Murat sehen“, fragte Berwanger plötzlich. „Klar“, war die Antwort. Frau Özgül stand auf und öffnete eine Tür. Berwanger betrat das normale Zimmer eines jungen E rwachsenen, das wie die gesamte Wohnung sehr aufgeräumt war. Sofort sah er, was er brauchte. Der Zufall kam ihm zu Hilfe, da in der Wohnung ein Telefon klingelte. Berwanger bedeutete Frau Özgül, sie könne ruhig drangehen. Sie verschwand, um das Gespräch entgegenzunehmen und gab Berwanger damit genug Zeit, die Haarbürste auf dem Nachttisch von Murat Özgül einzustecken. Diese würde genug Material für einen DNA-Abgleich hergeben. Natürlich hätte er Frau Özgül auch nach solchem Material fragen können, aber das wäre unbarmherzig und zu diesem Zeitpunkt auch absolut unnötig gewesen. Denn vielleicht gehörte der männliche Unterschenkel ja doch einem anderen. Berwanger hoffte es, doch sein Gefühl sagte ihm etwas anderes.
Auch bei den De Rosarios im dritten Stockwerk öffnete eine kräftige Frau, doch bevor Berwanger seinen Spruch aufsagen konnte, verschwand sie schon wieder in der Wohnung und rief: „Antonio, für dich“. Ein schlanker Mann in Feinrippunterhemd kam an die Tür und schaute fragend. Die Erkenntnisse, die Berwanger bei seinem Besuch sammelte, ähnelten denen, die er in der Wohnung der Özgüls gewonnen hatte. Es sei überhaupt nicht Magdalenas Art, einfach so zu verschwinden, einen aktuellen Freund habe sie auch nicht und außerdem habe die von der Familie betriebene Pizzeria jetzt ein Personalproblem, weil Magdalena sich ihr Studienbudget mit der abendlichen Schicht als Kellnerin aufbessere. Papa Antonio war sichtlich stolz auf seine Tochter und ebenso besorgt. Auch hier brachte es Berwanger nicht übers Herz, direkt nach Material für einen DNA-Abgleich zu fragen. Außerdem sprach er das Thema der anderen Vermissten im Haus nicht an. Er hatte das Gefühl, er könne mit einem einzigen unbedachten Satz die Welt des italienischen Ehepaars zum Einsturz bringen. Wenn die Dinge so lagen, wie er befürchtete, würde sich das ohnehin nicht vermeiden lassen. Er ließ aus Magdalenas Zimmer eine Haarspange mitgehen, an der noch ein paar Haare eingeklemmt waren und hoffte auch hier, dass der gefundene Unterarm zu einer anderen Frau gehörte.
Als die Türe mit dem Namensschild La Binnak im Erdgeschoss geöffnet würde, wusste Berwanger sofort, dass seine Hoffnung sich wohl nicht erfüllen würde. Denn der junge Mann, etwa Anfang zwanzig, der nun im Türrahmen stand, war eindeutig maximal pigmentiert und gleiches erwartete Berwanger nun auch von der vermissten Frau. Eigentlich hätte er das ja bereits wissen können, aber offenbar hatte er sich die Vermisstenanzeige nicht besonders gründlich angeschaut.
„Berwanger, Kripo Saarbrücken. Ich komme …“ – „Ah, wegen meiner Schwester. Sie wird vermisst“, sagte der junge Mann. „Ich war letzte Woche bei Ihnen, um das zu melden.“ Er gab Berwanger die Hand. Er wirkte weich und verletzlich, fast ein bisschen mädchenhaft und trug eine geflochtene Basthaube mit knopfbesetztem Riemen, aufgesetzten Muscheln und einer Spitze aus Horn und
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