"Saarland:Krimiland": Fünf Autoren, Fünf Fälle (German Edition)
nur noch vier Gruppen. „Bingo“, jubelte Diefenbach, „drei Pärchen und ein Drilling.“ Mittlerweile war es 21 Uhr geworden.
„OK, ein seit zwei Wochen vermisstes Ehepaar aus Roden und ein Studentenpärchen aus dem Wohnheim, das vermutlich nur vergessen hat, den Mitbewohnern mitzuteilen, dass es mal eben auf eine Abenteuertour geht. Dann die beiden alten Leute, die den beiden Seniorenheimen in der Innenstadt abhanden gekommen sind und…“, er pfiff durch die Zähne. „Das ist ja merkwürdig. Drei Vermisste aus einem Haus im Nauwieser Viertel. Ein Mann und zwei Frauen, aber sie haben nichts miteinander zu tun. Gehören zu unterschiedlichen Familien, und die Anzeigen sind auch unabhängig voneinander gestellt worden. Alle in der vergangenen Woche. Das riecht nach einem Treffer!“
„Und danach, dass wir noch mal zu einem Fun dort gerufen werden“, bemerkte Diefenbach. „Wie gehen wir vor?“
„Um sicher zu gehen, besuchen wir gleich morgen früh alle vier Gruppen. Ich nehm’ das Nauwieser Viertel und du den Rest. Und wir versuchen von allen Vermissten Material zu b esorgen für einen DNA-Abgleich. Und vielleicht können uns ja dann auch schon die Kriminaltechniker und Rechtsmediziner weiterhelfen.“
Diefenbach gähnte, und die beiden Haup tkommissare verließen gemeinsam ihr Büro. Als Berwanger seine Wohnung betrat, roch es immer noch nach Schnitzel und Blumenkohl. Vielleicht würde er ja am nächsten Tag wieder Appetit haben.
***
Die Namen auf den Klingeln des Mehrfamilienhauses in der Rotenbergstraße lasen sich wie ein multikulturelles Kompendium. Insgesamt zehn Parteien wohnten hier, nur ein Schild trug einen deutschen Namen. Müller stand darauf, doch zu den Müllers wollte Berwanger nicht. Magdalena de Rosario, Nora La Binnak und Mehmet Özgül hießen die vermisst gemeldeten Personen. Berwanger suchte die Namen auf dem Klingelbrett, fand alle drei und entschloss sich mit Özgül anzufangen. Laut Anordnung der Klingeln vermutete Berwanger die Özgüls im vierten Stock. Als er klingelte, dauerte es keine fünf Sekunden und der Türöffner summte. Er hatte erwartet, dass sich zunächst jemand über die Gegensprechanlage meldete, aber die Leute wurden heutzutage immer leichtsinniger. Er betrat das Haus und betätigte den Taster auf dem silbernen Außentableau des Aufzugs. Nichts geschah. „Das fängt ja gut an“, dachte Berwanger und nahm notgedrungen die Treppen zu Fuß, achtete dabei aber darauf, nicht zu schnell zu gehen. Er hasste es, außer Atem zu kommen und dann gar keuchend sich vorstellen zu müssen.
Im vierten Stock angekommen, empfing ihn eine dralle Frau mit Kopftuch. “Berwanger, Kripo Saarbrücken, ich komme wegen Murat“, stellte sich Berwanger vor und die Frau nickte und winkte den Hauptkommissar herein. Die Wohnung war pikobello aufgeräumt, an den Fenstern hingen schwere Gardinen und im Wohnzimmer standen große Sessel mit Quasten und Kordeln. Die Frau verschwand in der Küche und kam mit einem Tablett zurück, auf dem zwei gefüllten Teetassen standen. Sie stellte eine vor Berwanger ab und sprach dann zum ersten Mal: „Sie haben Murat noch nicht gefunden, oder?“ Ihr Deutsch war ohne Akzent. Berwanger schüttelte den Kopf und sie sprach weiter. „Ihr Kollege letzte Woche hat versucht, mich gleich zu beruhigen. Die meisten Vermissten tauchen schnell wieder auf, sagte er. Aber es ist überhaupt nicht Murats Art, einfach so zu verschwinden.“
„Meistens werden uns die Gründe erst klar, wenn die Ve rmissten wieder auftauchen. Oft gibt es dann ganz banale Erklärungen. Oder jemand ist mal kurz ausgerastet“, versuchte auch Berwanger zunächst mal, keine unnötige Panik zu schüren. Die schreckliche Möglichkeit, die er als Gedankenspiel beim Betreten des Hauses noch einmal durchgespielt hatte, wollte er vorerst für sich behalten. Die dicke Türkin war ihm zudem sympathisch, deshalb machte er auf Routine: „Wir sammeln ein paar Informationen. Wer wohnt außer Ihnen und Murat noch in dieser Wohnung?“ – „Niemand, seit mein Mann tot ist, sind Murat und ich allein. Murat hat gerade seine Zwischenprüfung in Jura bestanden. Ich wollte ja eigentlich schon lange, dass er auszieht. Aber Hotel Mama ist einfach zu bequem, und warum sollte es Murat nicht genauso machen, wie andere saarländische Studenten auch?“
„Hat Murat eine Freundin oder sonst eine Bezugsperson, die etwas über sein Verschwinden wissen könnte?“
„Keine Freundin, ich glaube er
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