Saat des Feuers
und babylonische Kunstgegenstände zurzeit an jeder Ecke auftauchten. Viele in der Museumswelt drückten gern ein Auge zu und behaupteten, dass sie dadurch die alten Kulturen bewahrten und nicht beraubten. Padgham war derselben Meinung. Denn wären die europäischen Kunstdiebe nicht gewesen, dann wären der Welt schließlich solche Schätze wie der Stein von Rosetta und die Elgin Marbles vorenthalten geblieben.
»Es fällt zu viel Gegenlicht darauf. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich die Jalousien einstelle?«
Padgham riss den Blick von dem Artefakt los. »Hmm? Nein, nein, natürlich nicht. Das ist schließlich Ihre Bühne hier.« Er rang
sich ein Lächeln ab, da er die Kooperation der Frau brauchte. Er hatte Anweisung erhalten, das Artefakt keinem der Museumsmitarbeiter zu zeigen, was auch der Grund war, warum er seine vorläufige Bewertung an einem Montag durchführte; an diesem Tag war das Museum für Besucher geschlossen, und es befanden sich keine Mitarbeiter in den Räumlichkeiten. Natürlich zählte die Fotografin nicht, da die Frau eine freie Mitarbeiterin war, die ein Brustschild nicht von einem Basrelief unterscheiden konnte. Wem würde sie es schon erzählen? Soweit er wusste, waren sie, abgesehen von den zwei Wächtern in Foyer des Museums, die einzigen anwesenden Personen.
Für einen kurzen Augenblick erhellte ein Blitzlicht das abgedunkelte Büro.
»Sieht gut aus«, bemerkte die Fotografin, als sie das Bild auf dem Kameradisplay begutachtete. »Ich schieße nur noch schnell ein zweites Foto zur Sicherheit.« Kaum war ein weiterer Blitz aufgeflammt, deutete sie auf die Bronzekassette. »Wollen Sie auch ein Foto von dem Metallkästchen?«
»Ist Queen Anne tot?«, entfuhr es ihm. Dann riss er sich zusammen und fügte in etwas freundlicherem Tonfall hinzu: »Wenn Sie so freundlich wären.«
Padgham trat zur Seite, und die Fotografin richtete das Stativ neu aus. Besorgt kaute er auf der Unterlippe, während er das wunderschöne Artefakt betrachtete. Als Kurator für babylonische Antiquitäten war der Brustschild in seine Obhut gegeben worden, da er in den Wüsten des Irak gefunden worden war und der Museumsdirektor annahm, dass Padgham ein bisschen mehr Informationen liefern und die vier Ws der Herkunft beantworten konnte – wer, wo, wann und warum. Doch zu Padghams Bestürzung entzogen sich ihm diese Antworten. Der Brustschild war eindeutig hebräischer Herkunft, und sein Wissen über die alten Israeliten war bestenfalls dürftig. Daher der Grund für das digitale Foto.
Wie es das Schicksal wollte, war Cædmon Aisquith, ein alter Studienkollege aus Oxford, zurzeit in Washington, um auf einer Lesereise sein neu erschienenes Buch Isis, enthüllt vorzustellen, eines dieser Pseudo-Geschichtsbücher, die vorgaben, die verborgenen Geheimnisse der Vergangenheit aufzudecken. Da er nicht der Typ war, der dem sprichwörtlichen geschenkten Gaul lange ins Maul schaute, hatte er sofort, nachdem er den Zeitungsbericht gelesen hatte, Aisquiths Presseagentin kontaktiert, die Nummer seines Hotels bekommen und ihn angerufen. Nach allem, was er zuletzt von ihm gehört hatte, hatte der alte Aisquith etwas Geld geerbt, sich nach Paris davongemacht und an der Rive Gauche einen antiquarischen Buchladen eröffnet. Wo er Beaujolais schlürfte und französische Nutten bumste. Der Mann sollte sich mal den Kopf untersuchen lassen.
Obwohl sie sich beinahe zwanzig Jahre lang nicht mehr gesehen hatten, war Aisquith einverstanden gewesen, sich mit ihm später an diesem Abend auf ein paar Drinks zu treffen. In der Hoffnung, sein Interesse anzustacheln – und bei der Gelegenheit ein paar Brocken an Informationen über das geheimnisvolle hebräische Artefakt zu bekommen -, hatte Padgham vor, Aisquith die digitalen Fotos per E-Mail zu schicken. Als Mann mit umfassender Kenntnis antiker Geschichte würde Cædmon Aisquith hoffentlich etwas dringend benötigtes Licht in die Angelegenheit bringen können. Und wie bei der freiberuflichen Fotografin war Padgham auch bei seinem alten Oxford-Kumpel der Meinung, dass die Geheimhaltung, die ihm vom Museumsdirektor auferlegt worden war, hier nicht galt.
»Alles fertig«, verkündete die Fotografin. Sie klappte die Digitalkamera auf, nahm ein kleines, rechteckiges Plastikteil heraus und reichte es ihm.
Er starrte das winzige Ding an. »Und was soll ich damit anstellen? Ich hatte Sie gebeten, ein Foto zu machen.«
»Und genau das hab ich auch gemacht. Hier ist Ihr Foto. Auf
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