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Saat des Himmels

Saat des Himmels

Titel: Saat des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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geneigt, die Geschichten als Märchen abzutun. „Nur der
Wald da oben…“
Jussup zog den Arm von den Augen und drehte den Kopf
in Richtung dieses merkwürdigen Gestrüpps, das unweit
von der Stelle, an der er sich befand, aus kleinen Büscheln
zu einer dunklen und, wie es schien, undurchdringlichen
grünen Mauer emporwuchs.
Und da sprang Jussup plötzlich auf, als hätte sein weit
abgespreizter Arm einen kampflustigen Skorpion berührt.
Gleich hoch mit dem Berggipfel, diesen scheinbar
berührend, schwebte ein Koloss, ein riesiger Klotz, in die
Ebene oberhalb der Felsen ein, beinahe schwarz seine Front
im Eigenschatten und blendend glänzend die der Sonne
zugewandte Seite. Es geschah geräuschlos und nicht länger
als ein Atemzug, dann war die Erscheinung verschwunden.
Schon dachte Jussup, sich getäuscht zu haben; vielleicht
auch hatte er seinen ungeschützten Kopf allzu lange der
stechenden Sonne ausgesetzt, da hörte er entfernt ein
dumpfes Knirschen, ein Brechen dazu, und es war, als
entstünde an einem fernen Punkt am Rande des
Buschwaldes in den Wipfeln ein Windwirbel.
„Also doch!“, dachte Jussup. Und als sich in ihm die
Schreckstarre gelöst hatte, begann er, was er konnte, zu
rennen, den Weg zurück, den er gekommen war und über
dem noch ein leichter Staubschleier stand.
Dann – außer Atem

musste der Mann den Lauf
verlangsamen; später blieb er keuchend stehen, und
allmählich sammelte er sich: Und erst jetzt dachte er: „Die
Schafe! Ich kann die Herde nicht im Stich lassen!“
Zögerlichen Schritts setzte er den Heimweg fort, blieb
erneut stehen. „Was werden die anderen sagen? Auslachen
werden sie mich. Sie werden denken, ich hätte einfach
Angst bekommen, wäre vorzeitig umgekehrt. Dass ich
Unheimliches gesehen habe, werden sie
– die Jungen
zumindest – nie und nimmer glauben.“
Jussup hockte sich am Wegrand nieder. „Die Schafe!“,
durchfuhr es ihn erneut. „Sie würden mager und erschöpft
zurückkommen, den Rückweg etliche nicht überleben. Zum
schadenfrohen Gelächter käme die Schelte, und womöglich
müsste ich verlorene Tiere ersetzen…“
Jussup schlug die Hände vor das Gesicht, saß lange, seine
Gedanken kreisten, er sah keinen Ausweg außer den, zur
Herde zurückzukehren.
Zögernd stand er auf, klopfte den Staub aus dem Haik und
ging langsam wieder auf den Felsen zu, da bei den Wald
nicht aus den Augen lassend. Er konnte nicht unterscheiden,
ob sich dort die Büsche zittrig bewegten oder der flirrige
Sonnenglast ihm einen Streich spielte.
Als Jussup die emsig äsende Herde erreichte, trat er in den
Schatten, verschnaufte und musterte die Felswand. Außer
einigen Vorsprüngen und aus Rissen wuchernden
schütteren Sträuchern zeigte sich der Stein in einer fast
waagrechten Schichtung. Von einer Höhle keine Spur.
Allerdings konnte der junge Mann von seinem Standort aus
längst nicht die gesamte Front übersehen, die außerdem in
einem leichten Bogen verlief und an deren Fuß ebenfalls
mannshohe Büsche wucherten.
Jussup fühlte den Schlag seines Herzens bis zum Hals,
und er wusste, dass es keineswegs allein vom schnellen
Lauf kam. Noch immer schüttelte ihn panische Angst. An
den Fels gekauert, beruhigte er sich nur langsam.
Die Schafe ästen friedlich, nachlässig von Gaur, dem
Hund, in Schach gehalten.
Dann vernahm Jussup plötzlich einen dumpfen Knall, dem
ein verebbendes Zischen folgte.
Zu Tode erschrocken sprang er auf, unstet musterte er
erneut die Wand.
Als er den Blick himmelwärts richtete, sah er über sich
den Stern, der trotz des gleißenden Sonnenlichts im
blassblauen Himmel silbern strahlte. Und Jussup wusste,
dass die Alten Recht hatten: Am Dschebel El Chaib war es
nicht geheuer! Hier hausten Dämonen, und sie begannen
mit ihm, dem armen Schafhirten, ihren Schabernack zu
treiben.
Der Junge zitterte vor Angst. Aber ihm war auch klar:
Solange sich die Schafe nicht fett gefressen haben würden,
konnte er den unheimlichen Ort nicht verlassen – und wenn
diese Unholde ihm gar ans Leben wollten.
Jussup sah sich nach etwas Handgreiflichem um, und er
nahm einen knorrigen Ast auf, mit dem er würde um sich
schlagen können. Und immer wieder ging sein Blick zum
neuerstrahlten Stern, der stoisch über ihm stand und von
seinem Glanz nicht das Geringste eingebüßt hatte.

3.
    Der 21.VomBergo glitt aus seiner Sitzmulde, beäugte
sich von oben bis unten, brummelte: „So ein
Unsinn“, und wandte sich an die Gefährten: „Macht euch
auf die Sohle“,

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