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SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

Titel: SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Augstein
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formuliert vorweg: »Gerechtigkeit sei sicher wünschenswert, aber sie behindere eben die wirtschaftliche Dynamik und sei im Ganzen ineffizient. Man müsse eben abwägen zwischen wirtschaftlichem Erfolg und gerechten gesellschaftlichen Verhältnissen.«
    Eine Menge an Gütern – in Nida-Rümelins Beispiel ein Geburtstagskuchen – ist erst dann effizient verteilt, wenn es keine andere Verteilung gibt, die einen der Beteiligten besserstellt, ohne einen anderen schlechterzustellen. Das liegt in der Natur des Effizienzbegriffs: Eine Verteilung ist dann effizient, wenn kein Gütertransfer mehr stattfinden kann, der zum wechselseitigen Vorteil ist. Das ist ein mächtiges Prinzip. Darauf beruht und gedeiht die Globalisierung.
    Es liegt auf der Hand, dass es für die Effizienz vollkommen gleichgültig ist, ob der Kuchen des Philosophen gleichmäßig unter den eingeladenen Kindern verteilt wird oder ob ein Kind die Hälfte bekommt und die anderen den Rest, oder welche Verteilung auch immer hier zum Zuge kommen soll. Jede Änderung müsste eines der Kinder wiederum schlechterstellen und darum also den Grad an Effizienz der gewählten Verteilung nicht verbessern. Die Besserstellung des einen bedeutet immer die Schlechterstellung des anderen. Gleichheit oder Ungleichheit hat mit berechenbarer Effizienz nichts zu tun – sondern mit politischen Entscheidungen. Der Unterschied ist wichtig. Hier geht es nicht um unabänderliche Gesetze der Ökonomie, sondern um vermeidbare Fehler der Politik.
    Ungleichheit ist aber ökonomisch nicht nur nicht notwendig – sie ist schädlich. Es ist ein bisschen jämmerlich, dass die linke Kritik an der Ausbeutung – denn darum handelt es sich ja bei zunehmender Ungleichheit – inzwischen so geschwächt ist, dass sie auf nachdenklichere Adepten der klassischen Ökonomie warten muss, bevor ihre Argumente wieder Gehör finden. Immerhin hat das Nachdenken in der klassischen Ökonomie begonnen. Bis vor kurzem beachtete die Mehrheit der Ökonomen die Warnung des Wirtschaftsnobelpreisträgers Robert E. Lucas, sich von der »verführerischen und giftigen« Versuchung der Verteilungsfragen fernzuhalten. Ein anständiger Ökonom habe davon die Finger zu lassen. Umverteilung ist Teufelszeug, nur Wachstum sorgt für Wohlstand. Das war die klassische Lehre – bis zur Finanzkrise. Die hat selbst hartgesottene »Chicago Boys« ins Grübeln gebracht. Die Krise entsprach so gar nicht ihrer Idee der rationalen Akteure, die mit ihren Handlungen und Erwartungen – für deren Untersuchung hatte Lucas den Nobelpreis bekommen – das Wirtschaftsleben prägen.
    In den Zentralbanken und Wirtschaftsministerien, in den Banken und Börsen, in den Universitäten und Forschungseinrichtungen sitzen unheimlich viele Ökonomen und versuchen, sich einen Reim aus den Zahlen zu machen, die die statistischen Quellen ihnen liefern. Und sie versuchen, in die Zukunft zu sehen. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. Was die Finanzkrise angeht, hat es überhaupt nicht funktioniert: »Niemand hatte das kommen sehen«, sagte Alan Greenspan, der frühere Chef der amerikanischen Notenbank, nachher.
    Das stimmt so nicht ganz. Es gab immer die unorthodoxe Ökonomie, der die Idee vom Gleichgewicht der Märkte seit jeher unrealistisch vorkam. Hyman Minsky ist ein Name, der in der Krise plötzlich wieder so manchem einfiel. Minsky war in den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einer der ersten, die die besondere Ätiologie der Finanzmärkte voraussahen. Minsky war ein echter Häretiker. Er war schlicht und ergreifend davon überzeugt, dass den Finanzmärkten die Lehrsätze der klassischen Ökonomie schnurz sind und es sich bei ihnen um inhärent instabile und damit gefährliche Kreaturen handle, die von den Regierungen gezähmt und eingehegt werden müssen. Kein Wunder, dass Minsky kein kanonisierter Gelehrter wurde. Die Klassiker hielten an ihren Dogmen fest, die in der Tat mehr mit Religion als mit Wissenschaft zu tun haben, bis sie dann verdientermaßen von dem Katarakt der Finanzkrise verschüttet wurden.
    Wie so viele Dogmatiker vor ihnen hatten die klassischen Ökonomen verlernt, sich ein halbwegs realistisches Bild von der Wirklichkeit zu machen. Die Schuld daran lag auch an den Instrumenten, mit denen die Marktauguren das Firmament der künftigen Möglichkeiten abtasteten: die sogenannten »Dynamic Stochastic General Equilibrium-Modelle« (DSGE). Es handelt sich um klassische

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