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SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition)

Titel: SABOTAGE: Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Augstein
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nicht sofort, aber im Verlauf der Jahrzehnte. Kumhof sagt, die Ungleichheit sei eine der wichtigsten Ursachen für die Finanzkrise gewesen. Das Interessante an seinen Forschungen: Die Entfesselung der Finanzmärkte, die in den Jahren der Reagan-Thatcher-Ära ihren Anfang nahm, hat die Ungleichheit befördert, und die Ungleichheit hat zur weiteren Entfesselung der Finanzmärkte geführt. Der Mann vom Währungsfonds ist mit dieser Analyse in guter Gesellschaft: Nobelpreisträger Stiglitz sieht es ähnlich.
    Immerhin: Man kann der Schulökonomie nicht mehr vorwerfen, die Augen vor den Gefahren zu verschließen, die der entgrenzte Kapitalismus inzwischen sogar für sich selbst darstellt.
    Es fehlt nicht am Wissen. Es fehlt an der Entschlossenheit, dieses Wissen zu Politik zu machen. Die Frage ist: Warum versagen unsere Politiker? Und: Warum lassen wir das zu?

05 GESETZ
    Das Gesetz haben die Politiker ja noch in der Hand. Die Entmachtung durch die Märkte ist eine Selbstentmachtung. Märkte machen keine Gesetze, und sie setzen sie auch nicht durch.
    Eine Politik, die der Ungleichheit begegnen will, hat Möglichkeiten. Natürlich. Nehmen wir das Beispiel der Zwangsanleihe. Das ist eine Idee, die ist so vernünftig, da weiß man gleich: Das wird nicht umgesetzt. Dabei wäre eine solche Anleihe eine kleine Korrektur der Ungleichheit in Deutschland.
    Mal angenommen, die Finanzmärkte, der große Leviathan, würden in ihrer unerschöpflichen Weisheit die Zinsen der deutschen Staatsanleihen steigen lassen, und die öffentliche Verschuldung würde teurer und teurer – dann könnte der Staat sich das Geld durchaus dort holen, wo es liegt: bei den Reichen. Das ist eine einfache Idee. Alle revolutionären Ideen sind einfach. Aber in der deutschen Öffentlichkeit findet sich der Mut zu solchen Ideen nur noch dort, wo man nichts zu verlieren hat: Bei Politikern, die keine Chance auf die Macht haben, bei Zeitungen mit kleinen Auflagen oder aber bei Wissenschaftlern. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat im Jahr 2012 ausgerechnet, wie die Deutschen mit einer Zwangsanleihe für Reiche ihren Staatshaushalt sanieren könnten.
    Kurzer Überblick über die Zahlen: Ein Vermögen von mehr als 250.000 Euro gesellt seinen Besitzer in Deutschland zu den reichsten 8 Prozent der Bevölkerung. Das sind immerhin 4,4 Millionen Menschen. Nach dem Vorschlag des DIW würden diese Bürger zum Kauf von Anleihen in Höhe von 10 Prozent ihres Vermögens verpflichtet. Das ergibt 230 Milliarden Euro. Die deutsche Schuldenquote betrug damals 83,5 Prozent. Die Zwangsanleihe hätte diesen Wert auf 74,5 Prozent gesenkt – deutlich näher an die 60-Prozent-Grenze, auf die Europa sich einmal im Maastricht-Vertrag geeinigt hatte.
    Das DIW hat diese Daten in einer Studie veröffentlicht. Die Reaktionen aus der Politik waren bezeichnend. Das CDU-geführte Bundesfinanzministerium ließ höflich wissen, es handle sich da um einen spannenden Vorschlag – für Griechenland und Italien, weil man dort bekanntlich Probleme mit den Steuereinnahmen habe. In Deutschland brauche man das nicht. Bei FDP und CSU hielt sich die Begeisterung in Grenzen (»Rote Mottenkiste«, »Kalte Enteignung«). In der SPD wurde das Modell für »durchaus denkbar« gehalten, und bei den Grünen wurde es so differenziert bewertet, dass am Ende nicht klar war, ob das als Zustimmung oder Ablehnung gemeint war. Es waren im Übrigen nur die Stimmen aus der zweiten und dritten Reihe, die sich da äußerten. So ein richtig echter Politiker will in Deutschland auf keinen Fall in den Ruch der Umverteilung kommen – jedenfalls nicht der Umverteilung von oben nach unten. Andersherum hat es hierzulande noch keiner politischen Karriere geschadet.
    Nur dem »Handelsblatt« gelang es in seiner Onlineausgabe, einen echten deutschen Ministerpräsidenten zu finden, der eine solche Anleihe unterstützen würde. Es handelte sich um einen Mann namens Reiner Haseloff, und vermutlich mussten selbst die meisten Journalisten das zugehörige Bundesland erst mal googeln (Sachsen-Anhalt). Herr Haseloff, CDU, hat zu der Zwangsanleihe etwas verblüffend Kluges gesagt: »Es wäre eine Chance, der historisch bedingten über Jahrzehnte hinweg unterschiedlichen Einkommensentwicklung zwischen Ost und West und der Bildung großer Vermögen in den westlichen Bundesländern zumindest ansatzweise Rechnung zu tragen.«
    In der Tat. Eine solche Anleihe wäre eine kleine Korrektur der Ungleichheit, die

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