Sachiko - Blutige Tränen (German Edition)
beim Aussteigen behilflich zu sein.
„Aiden … ich weiß nicht …“
„ Es ist unsere einzige Chance, Hanii, er ist unsere einzige Chance !“
Sachiko nickte betrübt. Es behagte ihr gar nicht, den Urgroßvater ihres Liebsten möglicherweise großer Gefahr auszusetzen. Schließlich hatte sie diese Fähigkeit bisher noch niemals ausgeübt. Wenn es schief ging, konnte die Sache im schlimmsten Fall Jacys Tod bedeuten.
„Es wird schon gut gehen“, murmelte Aiden, wohl mehr, um sich selbst zu beruhigen.
Gefasst betraten sie die Station.
Mit einem kurzen Kopfnicken begrüßte Aiden die Stationsschwester.
„Hallo, Mr. Burnett. Das ist schön, dass Sie gerade heute Zeit haben, ihren Urgroßvater zu besuchen!“
„ Warum?“ Beunruhigt zog Aiden eine Augenbraue hoch.
„ Mr. Jacy geht es heute sehr gut“, beeilte sich die Schwester zu antworten, „er hat sogar eben noch nach Ihnen gefragt.“
Aiden und Sachiko warfen sich einen Blick zu. Ihre Schritte wurden schneller, je näher sie Jacys Zimmer kamen. Mit Anklopfen hielten sie sich nicht auf. Wozu auch? Jacy hatte während der letzten Monate niemals darauf reagiert.
„ Aiden … mein Junge.“
Beinahe wäre Aiden in die Knie gegangen. Viel zu lange hatte er seinen Grampi nicht mehr seinen Namen sagen hören, geschweige denn auch nur die Gewissheit gehabt, dass er ihn überhaupt erkannte. Es war unmöglich, die Tränen zurückzuhalten, während er vor dem Sessel seines Urgroßvaters auf den Boden sank.
„Grampi“, flüsterte Aiden heiser. Er spürte, wie die zitternde Hand seines Urgroßvaters seine Haare berührte.
Oh Gott! Alles wäre besser gewesen, als das hier.
Musste Grampi sich ausgerechnet heute so gut fühlen, dass er ihn erkannte? Wäre es nicht tausend Mal einfacher gewesen, Sachiko tun zu lassen, was immer sie tun musste, wenn Jacy davon nichts mitbekäme?
„ Du hast die Sonne mitgebracht.“
Aidens Kopf ruckte hoch und er sah in Jacys Gesicht. Seine dunklen Augen ruhten mit … ja … mit Wohlwollen auf Sachiko, die wie versteinert noch immer an der Tür stand.
„Komm näher, mein Kind!“
Mühsam einen Fuß vor den anderen setzend kam Sachiko dem Wunsch des alten Mannes nach.
Aiden beeilte sich, ihr Platz zu machen. Unaufgefordert ließ sie sich zwischen den Beinen des Schamanen neben Aiden auf die Knie sinken, sodass nun beide auf Augenhöhe mit ihm waren.
Schon legte Jacy seine welken Hände beidseits an Sachikos Wangen. Dann ließ er langsam seinen Kopf sinken … bis er Aidens Stirn mit seiner eigenen berührte.
Ich weiß, dass ihr mich nun beide hören könnt.
Grampi … wie … wie ist das möglich…?
Keine Zeit, mein Junge. Was ich euch zu sagen habe, ist von großer Wichtigkeit. Lass‘ mich einfach nur reden und unterbrich mich nicht … ich habe nicht viel Zeit!
Sachiko, die Aidens Hand genommen hatte, sah ihn aus den Augenwinkeln an. Der gequälte Ausdruck in Aidens Augen schnitt ihr ins Herz … doch hier konnten selbst ihre sanften Berührungen nichts ausrichten.
„Bereit?“, fragte Jacy mit heiserer Stimme und sah den beiden jungen Menschen fest in die Augen.
Aiden räusperte sich, dann nickte er ebenso wie Sachiko und Jacy begab sich wieder in die zuvor eingenommene Position.
Die Prophezeiung ist also eingetreten … deshalb seid ihr beide hier. Ich habe auf diesen Tag gewartet, seit ich in mir selbst gefangen bin. Nachdem ich in den letzten Tagen diese Unruhe verspürt habe, wusste ich, es ist soweit. Und ich bin froh darüber, denn mir bleibt nicht mehr viel Zeit!
Jacys Hände drückten behutsam Aidens Kopf wieder nach unten, als er ihn mit einem schmerzlichen Aufschluchzen zu heben versuchte.
Nein, mein Junge, nicht! Nur das hier hat mich solange hier festgehalten.
Aiden ließ seinen Tränen freien Lauf. Sein Grampi war also quasi in sich selbst gefangen gewesen? Während all der Monate?
Mach dir deswegen keine Vorwürfe, mein Junge! Du konntest es doch nicht ahnen.
Nein! Das konnte er nicht … dennoch.
Es tat unvorstellbar weh, zu wissen, dass der alte Mann so lange leiden musste.
Denkst du, wenn du es gewusst hättest, hättest du dich schneller in deine Sonne verliebt?
Aiden hörte das Lächeln in Jacys Stimme und schüttelte kaum merklich den Kopf. Zumindest seine Tränen versiegten.
Na siehst du! Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja … die Prophezeiung! Ihr wisst beide, was sie besagt.
„ Wenn Sonne und Mond sich verdunkeln, werden sie gepflanzt … weit weit voneinander
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