Saeculum
Das klingt gut. Es klingt, als müsstest du ein Familienwappen haben, das man auf einen Schild malen kann.«
Gute Idee. Ein goldenes Skalpell auf einem grünen Geldschein, dachte Bastian bitter. »Besser nicht«, sagte er.
»Sandra hat erwähnt, dass du Medizin studierst. Bist du gut?«
Diese Frage war ihm in Zusammenhang mit seinem Studium noch nie gestellt worden. Ist es anstrengend, ist es schwierig, ist es interessant - das ja. Aber: Bist du gut?
»Ich bemühe mich«, antwortete Bastian vorsichtig. Es lag etwas Vereinnahmendes in Pauls Art, in seinen Fragen, das Bastian innerlich einen Schritt zurücktreten ließ.
»Erzähl mir davon. Gibt es ein Fachgebiet, auf das du dich spezialisieren möchtest?«
»Dafür ist es noch etwas früh.« Er sah, dass Paul sich mit dieser Antwort nicht abspeisen lassen würde. »Eventuell Chirurgie. Mal sehen, wie die Dinge sich entwickeln.«
Das schien Paul zu amüsieren. »Ist es in deinem Leben so, dass Dinge sich einfach entwickeln? In meinem nicht.« Er schlüpfte in ein hellbraunes Lederwams und schnürte es an der Vorderseite zu. »Macht aber nichts. Ich stehe auf Herausforderungen.«
Bastian glaubte ihm aufs Wort. Paul war einer dieser Typen, die vor Energie fast platzten.
»Sorry, dass ich dich so ausquetsche.« Offenbar hatte er endlich Bastians Unbehagen gespürt. »Das ist keine reine Neugierde, ich habe meine Gründe. Wirst du bald verstehen.« Er nahm einen tiefen Zug aus der Wasserflasche. »Hat Sandra dir von unseren Conventions erzählt?«
Als hätte sie darauf gewartet, dass ihr Name fiel, trat Sandra zu ihnen, Steinchen an ihrer Seite.
»Das ist er!«, rief sie. »Das ist Bastian.«
»Wir haben uns schon bekannt gemacht«, sagte Paul. »Ich wüsste ja gerne, wie gut dein Freund im Zusammenflicken verletzter Schwertschwinger ist …«
Der restliche Satz war nicht mehr zu verstehen, denn die Dudelsackbläser zogen wieder direkt an ihnen vorbei; der Lärm machte jede Unterhaltung unmöglich. Paul legte einige schottisch anmutende Tanzschritte hin. Als der Musikzug endlich weiter entfernt war und das Gedudel gedämpfter wurde, ergriff er wieder das Wort.
»Wir sollten unbedingt noch ein wenig weiterquatschen, aber ich verhungere. Was haltet ihr davon, wenn wir uns bei dem Grill da vorne Rippchen holen?«
Das, fand Bastian, war eine großartige Idee.
Sie schlenderten quer über die Wiese, vorbei an bunten Zelten, Waffenständern und gestapelten Strohballen, auf denen Kinder herumkletterten. Da und dort hingen Töpfe über rauchenden Feuerstellen, es roch nach Gulasch, Würstchen und Bier. Steinchen hatte gute Beziehungen zu der Frau, die am Stand von Speys und Trank den Bratspieß drehte, so ersparten sie sich das Schlangestehen zwischen den schwitzenden Besuchern und deren quengelndem Nachwuchs, wurden mit duftenden Fleischstücken auf Papptellern versorgt und ließen sich im Schatten einer Buche nieder.
»Was war es, das dich zur Medizin gebracht hat, Bastian?«, knüpfte Paul an ihr Gespräch von eben an. Das konzentrierte Interesse, das erneut aus seinen Augen sprach, brachte Bastian umgehend aus dem Konzept. Faszinierte sein Studium den Typen wirklich so sehr oder war das nur übertriebene Höflichkeit? Paul sah ihn an, als wollte er ihn durchleuchten. Blicke dieser Art kannte Bastian zur Genüge aus seiner Kindheit, darauf hatte er keine Lust.
»Wenn du eine originelle Erklärung hören willst, dann sorry«, antwortete er. »Ich studiere das, was mich immer schon am meisten interessiert hat.«
Paul schien mit der Antwort zufrieden zu sein, er bohrte nicht weiter.
»Und du, Paul - was machst du im richtigen Leben?« Neugierige Fragen stellen konnte Bastian auch.
»Im richtigen Leben«, wiederholte Paul nachdenklich. »Was meinst du damit? Ich liege im Gras, die Sonne im Gesicht, etwas zu essen und zu trinken neben mir - richtigeres Leben kann ich mir kaum vorstellen.«
Sehr geschickt, mit welcher Eleganz er auf die gestellte Frage nicht geantwortet hatte. Doch Paul war mit seinen Erklärungen noch nicht fertig. »Wenn du meinst, ob ich studiere oder arbeite - ja, in gewisser Weise schon. Ich forsche, reise herum und suche nach Spuren der Vergangenheit. Jemand hat mir mal gesagt, wer die Vergangenheit verstanden hat, der beherrscht die Zukunft.« Er sah sich um und wies auf eine Gruppe vorbeiziehender Männer in Kettenhemden. »Deshalb fühle ich mich hier so wohl. Wo man hinsieht, nichts als Vergangenheit.«
»Verstehe.« Was eine glatte
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