Saeculum
Arme vor der Brust und zwinkerte, als würde sie darauf warten, dass er tatsächlich Hose und Schuhe von sich warf.
Bastian lachte, halb amüsiert, halb verlegen, und Sandra stimmte in sein Lachen ein.
»Ein paar Tage hält man es schon durch, auf die Errungenschaften der Neuzeit zu verzichten, und länger dauert eine Convention meistens nicht.« Sie griff nach seiner Hand, hielt sie für die Dauer eines Herzschlags in ihrer und nahm ihm dann seine Armbanduhr ab.
»Als erste Übung lässt du Zeitdruck und Stress beiseite«, sagte sie leise und fuhr mit den Fingerspitzen über die Stelle, an der sich eben noch die Uhr befunden hatte. »Es ist Tag. Die Sonne scheint. Mehr musst du nicht wissen.« In diesem Licht war Sandras Haar ein Meer aus honigfarbenen Wellen. Ihre Augen ließen Bastian nicht los.
Wenn ich jetzt versuche, sie zu küssen, wird sie es zulassen?
Der Gedanke verflog mit dem aufbrandenden Applaus der Zuschauer, der Sandras Aufmerksamkeit wieder auf den Schaukampf lenkte.
»Jetzt kommt nur noch das Gottesurteil, dann können wir etwas essen gehen.«
Bastian war nicht ganz sicher, ob er das Wort richtig verstanden hatte. »Das was?«
»Gottesurteil. Das war im Mittelalter üblich, wenn sich Leute vor Gericht nicht einig waren. Dann hat man sich gern auf übernatürliche Zeichen verlassen.«
Ein pummeliger, schwitzender Typ in einem besonders prächtigen Waffenrock mit goldenen Stickereien trat in die Mitte des Kampfplatzes. Er öffnete eine Schriftrolle, blickte wichtig in die Runde und begann vorzulesen.
»Die hier anwesende Jungfrau Mathilda wird beschuldigt, einen kostbaren Ring aus den Gemächern ihrer Herrin entwendet zu haben. Es gibt keine Zeugen, die ihre Aussage bekräftigen könnten, deshalb sucht Mathilda einen Kämpfer, der einen Zweikampf zum Beweis ihrer Unschuld schlägt.« Der Pummelige deutete auf ein etwa achtzehnjähriges Mädchen mit langen blonden Zöpfen, das ein Stück hinter ihm stand. »Wer will für Mathilda kämpfen?«, rief er ins Publikum.
»Es ist so weit«, murmelte Steinchen. »Haltet die Mädels fest.«
Ein groß gewachsener Mann hatte sich aus der Menge gelöst und in die Mitte des Turnierplatzes gestellt. Seine Gestalt war durch einen dunklen Umhang verhüllt, dessen Kapuze sein Gesicht im Schatten ließ. Einige Augenblicke lang stand er einfach nur da, als wäre er in Gedanken versunken, dann zog er sich in einer einzigen Bewegung den Mantel vom Körper. Es war, als würden alle Zuschauer gleichzeitig einatmen.
Mathildas Retter war Anfang zwanzig, sah mit leichtem Lächeln in die Runde und vollführte kleine, lässige Kreisbewegungen mit der Spitze seines Schwertes. So wie die Schotten vorhin setzte auch er seinen nackten Oberkörper der Sonne aus, doch der Unterschied hätte nicht größer sein können. Der Gedanke, dass die Strahlen ihm etwas anhaben könnten, schien absurd. Er strich sich mit der linken Hand eine lange, helle Haarsträhne aus dem Gesicht, während er mit dem Schwert eine geradezu einladende Bewegung in Richtung seiner Gegner machte.
»Und wer ist das?«, murmelte Bastian. »Siegfried, der Drachentöter?«
Sandra gab ein amüsiertes Glucksen von sich. »Nicht ganz. Nein, das ist Paul, der Schwert schwingende Schönling.«
»Ganz schön gemein von dir«, konstatierte Steinchen. »Immer diese Vorurteile gegenüber uns Prachtkerlen!«
Wieder boxte Sandra ihm liebevoll mit dem Ellenbogen in die Rippen, ohne Paul dabei aus den Augen zu lassen. »Er hat sich eingeölt, damit man seine Muskeln besser sieht. Das hat nichts mit Vorurteilen zu tun, das ist blanke Eitelkeit.«
»Ich trete ein für Mathilda, an deren Unschuld ich fest glaube«, verkündete Paul lauthals. »Ich werde gegen jeden Gegner antreten, der sich mir stellt.«
Keiner der anderen Schwertträger rührte sich.
»Wenn niemand zum Kampf bereit ist, betrachte ich ihn als geschlagen und gewonnen, ganz so, wie es Brauch ist und immer war.«
Er wartete, ohne ein Anzeichen von Ungeduld, bis Warze und Nathan vortraten. »Wir stellen uns dir gemeinsam!«, rief Warze. »Solltest du uns besiegen, gilt die Unschuld des Mädchens als erwiesen.«
»Einverstanden.« Er hatte das Wort kaum zu Ende ausgesprochen, als seine beiden Angreifer auch schon vorwärtsschossen und ihn mit schnellen, heftigen Schlägen attackierten, denen er entweder geschickt auswich oder die er mit dem Schild parierte. Es war keine Frage, wer die Zuschauersympathien auf seiner Seite hatte.
Die drei hatten ihr
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