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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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ihr so wild ob unsern Häuptern wettert,
    Sucht eure Feinde auf: Zittre, du Frevler,
    Auf dem verborgne Untat ruht, vom Richter
    Noch ungestraft! – Versteck’ dich, blut’ge Hand;
    Meineid’ger Schalk, und du, o Tugendheuchler,
    Der in Blutschande lebt! Zerscheitre, Sünder,
    Der unterm Mantel frommer Ehrbarkeit
    Mord stiftete! Ihr tief verschloßnen Greu’l,
    Sprengt den verhüll’nden Zwinger, fleht um Gnade
    Die grausen Mahner! – Ich bin ein Mann, an dem
    Man mehr gesündigt, als er sündigte.
    Kent
.
    O Gott, mit bloßem Haupt! –
    Mein gnäd’ger Herr, nah bei ist eine Hürde,
    Die bietet etwas Schutz doch vor dem Sturm;
    Ruht dort, indes ich in dies harte Haus –
    Weit härter als der Stein, aus dem’s erbaut,
    Das eben jetzt, als ich nach Euch gefragt,
    Mir schloß die Tür – zurückgeh’ und ertrotze
    Ihr karges Mitleid.
    Lear
.
    Mein Geist beginnt zu schwindeln.
    Wie geht’s, mein Junge? Komm, mein Junge! Friert dich?
    Mich selber friert. Wo ist die Streu, Kam’rad?
    Die Kunst der Not ist wundersam; sie macht
    Selbst Schlechtes köstlich. Nun zu deiner Hürde! –
    Du armer Schelm und Narr, mir blieb ein Stückchen
    Vom Herzen noch, und das bedauert dich.
    Narr
.
    Wem der Witz nur schwach und gering bestellt,
    Hop heisa bei Regen und Wind,
    Der füge sich still in den Lauf der Welt,
    Denn der Regen, der regnet jeglichen Tag.
    Lear
.
    Wahr, lieber Junge. – Kommt, zeigt uns die Hürde!
    Geht ab.
    Narr
. Das ist ’ne hübsche Nacht, um eine Buhlerin abzukühlen. Ich will eine Prophezeiung sprechen, eh’ ich gehe:
    Wenn Priester Worte, nicht Werke häufen,
    Wenn Brauer in Wasser ihr Malz ersäufen,
    Wenn der Schneider den Junker Lehrer nennt,
    Kein Ketzer mehr, nur der Buhler brennt,
    Wenn Richter ohne Falsch und Tadel,
    Wenn ohne Schulden Hof und Adel,
    Wenn Läst’rung nicht auf Zungen wohnt,
    Der Gauner des Nächsten Beutel schont,
    Wenn die Wuch’rer ihr Gold im Felde beschaun,
    Und Huren und Kuppler Kirchen baun,
    Dann kommt das Reich von Albion
    In große Verwirrung und Konfusion:
    Dann kommt die Zeit, wer’s lebt zu sehn,
    Daß man mit Füßen pflegt zu gehn.
    Diese Prophezeiung wird Merlin machen, denn ich lebe vor seiner Zeit. – Ab.
    ¶

Dritte Szene
    Glosters Schloß.
    Es treten auf Gloster und Edmund.
    Gloster
. O Gott! Edmund, diese unnatürliche Begegnung gefällt mir nicht. Als ich sie um Erlaubnis bat, mich seiner erbarmen zu dürfen, da verboten sie mir den Gebrauch meines eignen Hauses, befahlen mir bei Strafe ihrer ewigen Ungnade, weder von ihm zu sprechen, für ihn zu bitten, noch ihn auf irgendeine Weise zu unterstützen.
    Edmund
. Höchst grausam und unnatürlich!
    Gloster
. Nun, nun, sage nichts! Es ist ein Zwiespalt zwischen den beiden Herzogen, und Schlimmeres als das: ich erhielt diesen Abend einen Brief – es ist gefährlich, davon zu reden; ich verschloß den Brief in meinem Kabinett. Die Kränkungen, die der König jetzt duldet, werden schwer geahndet werden; ein Teil des Heeres ist schon gelandet, und wir müssen mit dem König halten. Ich will ihn aufsuchen und ihn heimlich unterstützen. Geh du und unterhalte ein Gespräch mit dem Herzoge, damit er diese Teilnahme nicht bemerke. Wenn er nach mir fragt, bin ich krank und zu Bett gegangen. Und sollte es mein Tod sein (wie mir denn nichts Geringeres gedroht ist), dem König, meinem alten Herrn, muß geholfen werden. Es sind seltsame Dinge im Werk; Edmund, ich bitte dich, sei behutsam! Er geht ab.
    Edmund
.
    Den Eifer, mit Vergunst, meld’ ich sogleich
    Dem Herzog, und von jenem Brief dazu.
    Dies scheint ein groß Verdienst und soll mir lohnen
    Mit meines Vaters Raub, den Gütern allen:
    Die Jungen steigen, wenn die Alten fallen.
    Ab.
    ¶

Vierte Szene
    Heide.
    Es treten auf Lear, Kent und der Narr.
    Kent
.
    Hier ist’s, Mylord; o geht hinein, Mylord!
    Die Tyrannei der offnen rauhen Nacht
    Hält die Natur nicht aus.
    Fortdauernder Sturm.
    Lear
.
    Laß mich zufrieden!
    Kent
.
    Ich bitt’ Euch, kommt!
    Lear
.
    Willst du das Herz mir brechen?
    Kent
.
    Mein eignes eh’r. O geht hinein, mein König!
    Lear
.
    Dir dünkt es hart, daß dieser wüt’ge Sturm
    Uns bis zur Haut durchdringt: so ist es dir;
    Doch wo die größre Krankheit Sitz gefaßt,
    Fühlt man die mindre kaum. Du fliehst den Bären;
    Doch führte dich die Flucht zur brüll’nden See,
    Liefst du dem Bären in den Schlund. Ist frei der Geist,
    Dann fühlt der Körper zart. Der Sturm im Geist
    Raubt meinen Sinnen jegliches Gefühl,
    Nur das

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