Sämtliche Dramen
unaufhaltsam
In den Propontis rollt und Hellespont:
So soll mein blut’ger Sinn in wüt’gem Gang
Nie umschaun, noch zur sanften Liebe ebben,
Bis eine vollgenügend weite Rache
Ihn ganz verschlang.
Er knieet nieder.
Nun, beim kristallnen Äther,
Mit schuld’ger Ehrfurcht vor dem heil’gen Eid
Verpfänd’ ich hier mein Wort.
Jago
knieet auch.
Steht noch nicht auf! –
Bezeugt’s, ihr ewig glüh’nden Lichter dort!
Ihr Elemente, die ihr uns umschließt!
Bezeugt, daß Jago hier sich weiht mit allem,
Was sein Verstand, was Herz und Hand vermag,
Othellos Schmach zu ahnden! Er gebiete,
Und zu gehorchen sei mir Liebespflicht,
Wie blutig auch die Tat! –
Othello
.
Ich grüße deine Liebe
Mit eitlem Dank nicht, nein, mit freud’gem Ja,
Und augenblicklich führ’ ich dich ans Werk:
Laß in drei Tagen mich von dir vernehmen,
Daß Cassio nicht mehr lebt!
Jago
.
Mein Freund ist tot; Ihr wollt’s, es ist geschehn: –
Sie aber schont!
Othello
.
Verdammt, verdammt sei sie, die büb’sche Dirne!
Komm, folge heimlich mir, ich will im stillen
Ein schnelles Todesmittel mir verschaffen
Für diesen schönen Teufel. – Nun bist du mein Leutnant!
Jago
.
Ich bin auf ewig Euer!
Sie gehn ab.
¶
Vierte Szene
Ebendaselbst.
Desdemona, Emilia, der Narr.
Desdemona
. He! Weißt du, in welcher Gegend Leutnant Cassio liegt?
Narr
. Ich möchte nicht sagen, daß er irgendwo lüge.
Desdemona
. Warum?
Narr
. Er ist ein Soldat, und wollt’ ich sagen, daß ein Soldat lüge, das ginge an Hals und Kragen.
Desdemona
. Nicht doch, wo wohnt er?
Narr
. Euch sagen, wo er wohnt, hieße Euch sagen, wo ich lüge.
Desdemona
. Ist daraus wohl klug zu werden? –
Narr
. Ich weiß nicht, wo er wohnt, und sollt’ ich eine Wohnun gaus der Luft greifen und sagen, er liegt hier, oder liegt da, – das hieße in meinen Hals hineinlügen.
Desdemona
. Kannst du ihn wohl ausfragen, und dich nach dem Bescheid mit Vernunft gebärden?
Narr
. Ich will die Welt hindurch katechisieren, das heißt, Fragen stellen, und sie antworten lassen.
Desdemona
. Suche ihn auf und schicke ihn her: sage ihm, ich habe meinen Gemahl für ihn gestimmt, ich hoffe, alles werde noch gut.
Narr
. Dies auszurichten reicht nicht über das Vermögen des menschlichen Geistes, und darum will ich das Abenteuer bestehen. Ab.
Desdemona
.
Wo hab’ ich nur das Tuch verlegt, Emilia?
Emilia
.
Ich weiß nicht, gnäd’ge Frau.
Desdemona
.
Glaub’ mir, viel lieber mißt’ ich meine Börse,
Voll von Crusados. Wär’ mein edler Mohr
Nicht großgesinnt und frei vom niedern Stoff
Der Eifersucht, dies könnt’ auf schlimme Meinung
Ihn führen.
Emilia
.
Weiß er nichts von Eifersucht?
Desdemona
.
Wer? Er? – Die Sonn’ in seinem Lande, glaub’ ich,
Sog alle solche Dünst’ ihm aus.
Emilia
.
Da kommt er.
Desdemona
.
Ich will ihn jetzt nicht lassen, bis er Cassio
Zurückberief. Wie geht dir’s mein Othello? –
Othello tritt auf.
Othello
.
Wohl, teure Frau!
Beiseit.
O Qual, sich zu verstellen!
Laut.
Wie geht dir’s, Desdemona?
Desdemona
.
Gut, mein Teurer.
Othello
.
Gib deine Hand mir: – Diese Hand ist warm.
Desdemona
.
Sie hat auch Alter nicht noch Gram gefühlt.
Othello
.
Dies deutet Fruchtbarkeit, freigeb’gen Sinn; –
Heiß, heiß, und feucht! Solch einer Hand geziemt
Abtötung von der Welt, Gebet und Fasten,
Viel Selbstkasteiung, Andacht, fromm geübt;
Denn jung und brennend wohnt ein Teufel hier,
Der leicht sich auflehnt, ’s ist ’ne milde Hand,
Die gern verschenkt.
Desdemona
.
Du kannst sie wohl so nennen,
Denn diese Hand war’s, die mein Herz dir gab.
Othello
.
Eine offne Hand: sonst gab das Herz die Hand;
Die neue Wappenkunst ist Hand, nicht Herz.
Desdemona
.
Davon versteh’ ich nichts. Nun, dein Versprechen!
Othello
.
Welch ein Versprechen, Kind? –
Desdemona
.
Ich ließ den Cassio rufen, dich zu sprechen.
Othello
.
Mich plagt ein widerwärt’ger, böser Schnupfen,
Leih’ mir dein Taschentuch!
Desdemona
.
Hier, mein Gemahl.
Othello
.
Das, welches ich dir gab.
Desdemona
.
Ich hab’s nicht bei mir.
Othello
.
Nicht?
Desdemona
.
Wirklich nicht, mein Teurer.
Othello
.
Das muß ich tadeln: dieses Tuch
Gab meiner Mutter ein Zigeunerweib:
’ne Zaub’rin war’s, die in den Herzen las.
Solange sie’s bewahrte, sprach das Weib,
Würd’ es ihr Reiz verleihn und meinen Vater
An ihre Liebe fesseln; doch verlöre
Oder verschenkte sie’s, satt würde dann
Sein
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