Sämtliche Dramen
eifersücht’ge Grille,
Die Euch betrifft.
Desdemona
.
O liebe Zeit! – ich gab ihm niemals Anlaß.
Emilia
.
Das ist den Eifersücht’gen einerlei,
Sie sind nicht stets aus Anlaß eifersüchtig,
Sie eifern, weil sie eifern; ’s ist ein Scheusal,
Erzeugt von selbst, geboren aus sich selbst.
Desdemona
.
Gott schütz’ Othello vor dem Scheusal!
Emilia
.
Amen!
Desdemona
.
Ich will ihn suchen; Cassio, bleibt hier nah;
Ist er gestimmt, betreib’ ich Eure Bitte,
Und will es bis zum Äußersten versuchen.
Cassio
.
Ich dank’ in Demut, gnäd’ge Frau!
Desdemona und Emilia ab.
Bianca tritt auf.
Bianca
.
Gott grüß’ dich, Cassio!
Cassio
.
Wie kommst du hierher?
Was treibst du, meine allerschönste Bianca?
Just wollt’ ich zu dir kommen, liebes Herz.
Bianca
.
Und ich war eben unterwegs zu dir.
Was? Eine Woche konnt’st du außen bleiben?
Sieben Tag’ und Nächte? – Achtmal zwanzig Stunden,
Und acht noch? Und einsame Liebesstunden,
Langweil’ger als der Zeiger, hundertmal?
O läst’ge Rechnung!
Cassio
.
Zürne nicht, mein Kind:
Mich drückte schwere Sorg’ in all den Tagen;
Doch werd’ ich dir zu ungestörter Zeit
Die lange Rechnung tilgen. – Liebste Bianca,
Er gibt ihr Desdemonas Tuch.
Zeichne dies Muster ab!
Bianca
.
Ei, woher kam dies?
Das ist ein Pfand von einer neuen Freundin.
Dein Wegsein schmerzte, doch der Grund noch mehr:
Kam es so weit? Nun gut, schon gut! –
Cassio
.
Geh, Mädchen,
Wirf den Verdacht dem Teufel ins Gesicht,
Von dem er kam! Nun, bist du eifersüchtig,
Dies sei von einer Liebsten mir geschenkt? –
Nein, glaub’ mir’s Bianca! –
Bianca
.
Nun, woher kam’s?
Cassio
.
Ich weiß nicht, Kind, ich fand’s auf meinem Zimmer.
Die Stickerei gefällt mir: eh’ man’s fordert
(Was bald geschehn kann), wünscht’ ich’s nachgezeichnet:
Da nimm’s und tu’s, und laß mich jetzt allein!
Bianca
.
Allein dich lassen? und warum?
Cassio
.
Ich muß hier warten auf den General;
Und nicht empfehlend wär’ mir’s, noch erwünscht,
Fänd’ er mich so begleitet.
Bianca
.
Und warum nicht?
Cassio
.
Nicht, daß ich dich nicht liebte.
Bianca
.
Nur, daß du mich nicht liebst.
Ich bitt’ dich, bring’ mich etwas auf den Weg,
Und sag mir, kommst du wohl heut abend zeitig?
Cassio
.
Ich kann ein kurzes Stück nur mit dir gehn,
Weil ich hier warte: doch ich seh’ dich bald.
Bianca
.
Schon gut; man muß sich fügen in die Zeit.
Sie gehn ab.
¶
VIERTER AUFZUG
Erste Szene
Zimmer auf dem Schlosse.
Othello und Jago.
Jago
.
Wie dünkt Euch das?
Othello
.
Was soll mich dünken?
Jago
.
Was,
Sich heimlich küssen?
Othello
.
Ein verbotner Kuß! –
Jago
.
Oder nackt im Bett mit ihrem Freunde sein,
Wohl stundenlang und mehr, in aller Unschuld? –
Othello
.
Im Bette, Jago, und in aller Unschuld? –
Das hieße Heuchelei ja mit dem Teufel! –
Wer keusch sein will und solches tut, des Tugend
Versucht der Teufel, und er selbst den Himmel.
Jago
.
Wenn sie nichts taten, war der Fehl nicht groß;
Doch, wenn ich meiner Frau ein Tuch verehrt –
Othello
.
Nun dann? –
Jago
.
Nun, dann gehört’s ihr, gnäd’ger Herr: und folglich
Darf sie’s verschenken, mein’ ich, wenn sie will.
Othello
.
Sie ist Gebieterin auch ihrer Ehre;
Darf sie die auch verschenken? –
Jago
.
Die Ehr’ ist nur ein unsichtbares Wesen,
Und oft besitzt sie der, der sie nicht hat:
Allein das Tuch –
Othello
.
Bei Gott! mit Freuden hätt’ ich das vergessen: –
Du sagtest, – oh, es schwebt um mein Gedächtnis,
So wie der Rab’ um ein verpestet Haus,
Verderben dräu’nd, – er habe jenes Tuch.
Jago
.
Nun was denn?
Othello
.
Das ist doch nicht gut, gewiß! –
Jago
.
Sagt’ ich noch gar, ich sah ihn Euch beschimpfen,
Oder hört’ ihn sagen, – wie’s denn Schurken gibt,
Die, wenn sie durch ihr ungestümes Werben,
Oder durch frei Vergaffen eines Weibes
Sie zwangen oder kirrten, nimmer ruhn,
Bis sie geschwatzt, –
Othello
.
Hat er so was gesagt?
Jago
.
Das hat er, gnäd’ger Herr! Doch seid versichert,
Nicht mehr, als er abschwören wird.
Othello
.
Was sagt’ er?
Jago
.
Daß er bei ihr, – ich weiß nicht, wie er sagte, –
Othello
.
Was? Was? –
Jago
.
Gelegen –
Othello
.
Bei ihr?
Jago
.
Bei ihr, auf ihr, wie Ihr wollt.
Othello
. Bei ihr gelegen! auf ihr! Das Tuch – diese Geständnisse – das Tuch! – Eingestehn, und dann für die Mühe gehängt werden; zuerst gehängt, dann
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