Sämtliche Dramen
mir in den Sinn: –
Schließer, wie kam’s, daß Claudio ward enthauptet
Zu ungewohnter Stunde?
Schliesser
.
Also ward mir’s
Geboten.
Herzog
.
Ward Euch schriftlicher Befehl? –
Schliesser
.
Nein, gnäd’ger Fürst, es war ein mündlich Wort.
Herzog
.
Und dafür seid Ihr Eures Amts entsetzt: –
Gebt Eure Schlüssel ab!
Schliesser
.
Verzeihung, gnäd’ger Fürst:
Mir ahnt’, es sei ein Fehl, doch wußt’ ich’s nicht,
Und als ich überlegt, hab’ ich’s bereut.
Des zum Beweis blieb einer im Verhaft,
Dem gleichfalls mündlich Wort den Tod erkannt,
Und den ich leben ließ.
Herzog
.
Wer?
Schliesser
.
Bernardino.
Herzog
.
O hätt’st du doch an Claudio das getan!
Geh’, hol’ ihn her, ich will ihn sehn.
Schließer geht.
Escalus
.
Mich schmerzt,
Daß ein so weiser, so gelehrter Mann,
Als Ihr, Lord Angelo, mir stets erschient,
So gröblich fehlte – erst durch heißes Blut,
Und Mangel richt’gen Urteils hinterher.
Angelo
.
Mich schmerzt, daß ich Euch diesen Schmerz bereitet,
Und solche Reu’ durchdringt mein wundes Herz,
Daß mir der Tod willkommner scheint als Gnade.
Ich hab’ ihn wohl verdient und bitte drum! –
Der Schließer, Bernardino, Claudio und Julia kommen zurück.
Herzog
.
Welcher ist Bernardin?
Schliesser
.
Der, gnäd’ger Herr.
Herzog
.
Ein Mönch erzählte mir von diesem Mann.
Hör’ an! Man sagt, du seist verstockten Herzens,
Du fürchtest nichts jenseit des Irdischen,
Und dem entspricht dein Tun. Du bist verurteilt;
Doch deine Schuld auf Erden sei verziehn:
So strebe nun, daß solche Huld dich leite
Auf beßre Zukunft. Pater, unterweist ihn,
Ich lass’ ihn Euch. – Wer ist der Eingehüllte?
Schliesser
.
Noch ein Gefangner ist’s, den ich gerettet,
Der sterben sollt’, als Claudio ward enthauptet,
Und fast dem Claudio gleich, als wie sich selbst.
Nimmt Claudio die Verhüllung ab.
Herzog
zu Isabella.
Wenn er ihm ähnlich sieht, – um seinethalb
Sei ihm verziehn; und Eurer Anmut halb
Gebt mir die Hand und sagt, Ihr seid die Meine:
Er ist mein Bruder dann. Doch dies für künftig.
Lord Angelo sieht also, daß er lebt;
Mir scheint, sein Aug’ erglänzt in neuer Hoffnung.
Nun! Eure Sünde zahlt Euch noch so ziemlich.
Liebt ja Eu’r Weib; ihr Wert gibt Wert dem Euern. –
Ich fühle Neigung, allen zu verzeihn;
Doch jenem da, ihm kann ich nicht vergeben.
Ihr frecher Mensch, der weiß, ich sei ein Narr,
Und feig und lüderlich, ein Tor, ein Toller:
Womit, sagt an, hab’ ich’s um Euch verdient,
Daß Ihr mich so erhobt?
Lucio
. Meiner Treu, gnädigster Herr, ich sagte das nur so nach hergebrachter Mode; wollt Ihr mich dafür hängen lassen, so mag’s geschehn; aber ich säh’ es lieber, wenn Ihr geruhen wolltet, mich durchpeitschen zu lassen.
Herzog
.
Zuerst gepeitscht, Herr, dann gehängt.
Laßt es ausrufen, Schließer, durch ganz Wien:
Hat wo ein Mädchen Klag’ auf diesen Burschen
(Wie er mir selber schwor, daß eine sei,
Die ihm ein Kind gebar), so melde sie’s,
Dann soll er sie heiraten: – nach der Hochzeit
Stäupt ihn und hängt ihn auf!
Lucio
. Ich bitt’ Euer Hoheit um alles, verheiratet mich, doch nicht an eine Metze! Eu’r Hoheit sagte noch eben, ich hätte Euch zum Herzoge gemacht: liebster, gnädiger Herr, lohnt mir nun nicht damit, daß Ihr mich zum Hahnrei macht.
Herzog
.
Bei meinem Wort, heiraten sollst du sie.
Dein Schmähn vergeb’ ich, und was weitres du
Verwirkt hast, gleichfalls. Führt ihn ins Gefängnis,
Und sorgt, daß mein Befehl vollzogen wird!
Lucio
. Solch einen lüderlichen Fisch heiraten, gnädiger Herr, ist erdrückt, erstickt, gepeitscht und gehängt werden.
Herzog
.
Den Fürsten schmähn, verdient’s.
Claudio, die Ihr gekränkt, bringt sie zu Ehren;
Glück Euch, Mariane! Liebt sie, Angelo:
Ich war ihr Beicht’ger, ihre Tugend kenn’ ich.
Dir, Escalus, sei Dank für alles Gute;
Ich bin auf bessern Glückwunsch noch bedacht.
Dank, Schließer, weil du treu und sorglich schwiegst;
Wir stellen dich auf einen würd’gern Platz.
Vergebt ihm, Angelo, daß er den Kopf
Des Ragozyn statt Claudios Euch gebracht;
Der Fehl ist keiner. – Teure Isabella,
Noch hab’ ich eine Bitt’, auch Euch zum Besten:
Und wollt Ihr freundliches Gehör mir leihn,
So wird das Meine Eu’r , das Eure mein.
Zum Palast dann; und hört aus meinem Munde
Von dem, was noch zu sagen bleibt, die Kunde!
Alle gehn ab.
¶
Personen
Solinus
, Herzog von Ephesus
Ägeon
, ein
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