Sämtliche Dramen
durchschaut,
Dem ew’gen Richter gleich. Drum, gnäd’ger Fürst,
Nicht längre Sitzung prüfe meine Schande;
Statt des Verhörs nehmt mein Geständnis an;
Unmittelbarer Spruch und schneller Tod
Ist alles, was ich flehe.
Herzog
.
Kommt, Mariane! –
Sprich, warst du je verlobt mit diesem Fräulein?
Angelo
.
Das war ich, Herr.
Herzog
.
So geh, vollzieh’ die Trauung ungesäumt:
Ihr, Mönch, vermählt sie; wenn Ihr das vollbracht,
Bringt ihn zurück hieher! – Geh, folg’ ihm, Schließer!
Angelo, Mariane, Peter und Schließer ab.
Escalus
.
O Herr! Mehr noch entsetzt mich seine Schande,
Als dieses Handels Seltsamkeit!
Herzog
.
Kommt näher, Isabella:
Eu’r Mönch ist nun Eu’r Fürst. Wie ich vorhin
Als Freund mit treuem Rat mich Euch geweiht,
Nicht wechselnd Sinn mit Kleidung, bin ich noch
Gewidmet Eurem Dienst.
Isabella
.
O Fürst, verzeiht,
Daß die Vasallin mit Geschäft und Müh’n
Die unbekannte Majestät beschwert! –
Herzog
.
Euch ist verziehn.
Und nun, du Teure, sei auch mir so mild!
Des Bruders Tod, ich weiß, drückt dir das Herz,
Und staunen magst du, daß ich nur verhüllt
Gestrebt, ihn dir zu retten, nicht vielmehr
Mich rasch hervorhob aus verborgner Macht,
Statt ihn dahin zu geben. Liebreich Wesen!
Es war der schnelle Hergang seines Tods,
Der, wie ich wähnte, trägern Fußes käme,
Was meinen Plan zerstört. Doch ruh’ er sanft! –
Glücksel’ger dort, der Todesfurcht entrafft,
Als hier in steter Furcht. Nimm das zum Trost:
Dies Glück ward deinem Bruder.
Angelo, Mariane, Peter und Schließer kommen zurück.
Isabella
.
Wohl, mein Fürst.
Herzog
.
Hier diesem Neuvermählten, der uns naht,
Des üpp’ge Lüsternheit dich kränken wollte
An deiner wohlgeschirmten Her’ und Tugend,
Möcht’st du verzeihn um Marianens willen –
Doch weil er deinem Bruder gab den Tod
(Er, schuldig selbst der doppelten Verletzung
Geweihter Keuschheit und gelobten Schwurs,
Mit dem er dir des Bruders Rettung bürgte), –
Ruft des Gesetzes Gnade selber nun
Vernehmlich, ja selbst aus des Schuld’gen Munde:
»Ein Angelo für Claudio, Tod für Tod:
Liebe für Liebe, bittern Haß für Haß,
Gleiches mit Gleichem zahl’ ich, Maß für Maß.«
Drum, Angelo, da dein Vergehn am Tage,
So klar, daß selbst kein Leugnen Hülfe böte,
Sei nun verurteilt zu demselben Block,
Wo Claudio fiel, und zwar mit gleicher Hast.
Hinweg mit ihm!
Mariane
.
O gnadenreicher Fürst!
Ich hoff’, Ihr gabt zum Spott mir nicht den Gatten?
Herzog
.
Der Gatte selbst gab Euch zum Spott den Gatten.
Nur zur Beschützung Eurer Ehre hielt ich
Den Eh’bund nötig, daß kein Vorwurf je,
Weil Ihr die Seine wart, Eu’r Leben treffe
Und hemme künft’ges Glück. All seine Güter,
Obwohl nach dem Gesetz an uns verfallen,
Sind Euch als Wittum und Besitz verliehn;
Kauft damit einen bessern Mann.
Mariane
.
O Herr,
Ich wünsche keinen andern je, noch bessern.
Herzog
.
Vergeblich wünscht Ihr: wir sind fest entschlossen.
Mariane
kniet.
Huldreichster Fürst, –
Herzog
.
Umsonst ist Eure Müh’.
Fort, führt ihn hin zum Tod! –
Zu Lucio.
Nun, Herr, zu Euch!
Mariane
.
O milder Fürst! Hilf, süße Isabella!
Leih’ mir dein Knie: mein ganzes Leben will ich,
All meine Zukunft deinem Dienste leihn.
Herzog
.
Ganz wider allen Sinn bedrängst du sie!
Wenn sie für diese Tat um Gnade kniete,
Zersprengte Claudios Geist sein steinern Bett
Und riß sie hin in Schrecknis.
Mariane
.
Isabella,
O Herzensfreundin, dennoch kniet nur mit,
Die Händ’ erhebt, sprecht nichts, ich red’ allein.
Durch Fehler, sagt man, sind die besten Menschen
Gebildet, werden meist um so viel besser,
Weil sie vorher ein wenig schlimm; so geht’s
Vielleicht auch meinem Gatten. Isabella,
Willst du nicht mit mir knien?
Herzog
.
Er stirbt für Claudios Tod.
Isabella
.
Huldreicher Fürst,
Ich fleh’ Euch, schaut auf diesen Mann der Schuld,
Als lebte Claudio noch. Fast muß ich denken,
Aufricht’ge Pflicht hat all sein Tun regiert,
Bis er mich sah. Wenn es sich so verhält,
Laßt ihn nicht sterben! Claudio ward sein Recht,
Weil er den Fehl beging, für den er starb.
Doch Angelo, –
Sein Tun kam nicht dem sünd’gen Vorsatz gleich,
Und muß begraben ruhn als eitler Vorsatz,
Der starb entstehend. – Gedanken sind nicht Taten;
Vorsätze nur Gedanken.
Mariane
.
Nur Gedanken! –
Herzog
.
Eu’r Flehn erweicht mich nicht; steht auf; ich will’s.
Noch kommt ein neu Vergehn
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