Sämtliche Dramen
Schließer.
Escalus
. Eben recht; redet Ihr jedoch nicht zu ihm, bis wir Euch aufrufen.
Lucio
. Mum.
Escalus
. Näher, guter Freund! Habt Ihr diese Weiber angestiftet, Lord Angelo zu verleumden? Sie haben bekannt, daß Ihr es tatet.
Herzog
.
Das ist falsch.
Escalus
.
Was? Wißt Ihr, wo Ihr seid?
Herzog
.
Ehrfurcht vor Eurer Würde! Selbst den Teufel
Ehrt mancher wohl um seinen Flammenthron. –
Wo ist der Fürst? Ihm will ich Rede stehn.
Escalus
.
Er ist in uns; Ihr sollt uns Rede stehn;
Gebt acht und redet ziemlich!
Herzog
.
Kühnlich gewiß. Doch ach! Ihr armen Kinder!
Kamt ihr, das Lamm beim Fuchse hier zu fodern?
Nun, gute Nacht, Ersatz! Der Herzog ging?
Dann geht auch ihr zu Grunde! Euer Herzog
Ist ungerecht, daß er von sich zurückweist
Eu’r laut gewordenes Rechtgesuch an ihn
Und in des Schurken Mund eu’r Urteil legt,
Den ihr hier angeklagt! –
Lucio
.
Dies ist der Schuft! Der ist’s, von dem ich sprach.
Escalus
.
Wie, du unheil’ger, unehrwürd’ger Mönch,
War’s nicht genug, die Frau’n hier anzustiften
Wider den würd’gen Herrn? Noch jetzt mit Läst’rung, –
Ja hier, vor seinem eignen Ohre – wagst du’s,
Und nennst ihn Schurke?
Und schielst von ihm sogar noch auf den Fürsten,
Und schiltst ihn ungerecht? Führt ihn hinweg! –
Fort, auf die Folter! Zerrt ihm Glied für Glied,
Bis er den Plan bekennt! Was, ungerecht! –
Herzog
.
Seid nicht so hitzig! Euer Herzog
Wagt nicht, mir nur den Finger anzurühren,
Nicht mehr, als er den eignen foltern wird.
Auch bin ich ihm nicht untertan,
Noch hier vom Sprengel. Meiner Sendung Amt
Ließ manches mich erleben hier in Wien:
Ich sah, wie hier Verderbnis dampft und siedet.
Und überschäumt: Gesetz für jede Sünde;
Doch Sünden so beschützt, daß Eure Satzung
Wie Warnungstafeln in des Baders Stube
Da steht und, was verpönt, nur wird verhöhnt.
Escalus
.
Den Staat geschmäht? Fort, bringt ihn in den Kerker!
Angelo
.
Wes könnt Ihr ihn verklagen, Signor Lucio?
Ist dies der Mann, von dem Ihr uns gesagt?
Lucio
. Derselbige, gnädiger Herr. Kommt heran, Gevatter Kahlkopf, kennt Ihr mich?
Herzog
. Ich erinnere mich Eurer, Herr, an dem Ton Eurer Stimme; ich traf Euch während des Herzogs Abwesenheit im Kerker. –
Lucio
. So? Traft Ihr mich? Und erinnert Ihr Euch noch, was Ihr vom Herzog sagtet?
Herzog
. Vollkommen, Signor.
Lucio
. Wirklich, Herr? Und läuft der Herzog den Dirnen nach? Und ist er ein Geck und eine Memme, wie Ihr von ihm sagtet?
Herzog
. Ihr müßt erst unsre Rollen tauschen, Herr, eh’ Ihr mich das sagen laßt; Ihr allerdings spracht so von ihm, und viel mehr, viel schlimmer.
Lucio
. Ei, du lästerlicher Bursch, zog ich dich nicht bei der Nase, wie du so sprachst?
Herzog
. Ich versichre, daß ich den Herzog so sehr liebe, als mich selbst.
Angelo
. Hört doch, wie der Schurke jetzt abbrechen möchte, nachdem er verräterische Lästerungen ausgestoßen! –
Escalus
. Mit solchem Kerl muß man kein Wort verlieren: fort mit ihm ins Gefängnis! Wo ist der Schließer? Fort mit ihm ins Gefängnis! – Legt ihm Eisen genug an, laßt ihn nicht weiter reden; und nun auch fort mit den leichtfertigen Dirnen und ihren andern Spießgesellen.
Der Schließer legt Hand an den Herzog.
Herzog
. Halt da! Haltet ein! –
Angelo
. Was? Er widersetzt sich? Helft ihm, Lucio!
Lucio
. Wartet nur, wartet nur, wartet nur; pfui doch! Was, Ihr kahlköpfiger, lügnerischer Schuft, Ihr müßt Euch den Kopf so vermummen? Müßt Ihr? Zeigt einmal Euer Schelmengesicht, und an den Galgen mit Euch! Zeigt Euer Strauchdiebsgesicht, und laßt Euch frisch hängen! Will die Kapuze nicht herunter?
Reißt ihm die Mönchskappe ab und erkennt den Herzog.
Herzog
.
Du bist der erste Bube,
Der je ’nen Herzog machte!
Erst, Schließer, meine Bürgschaft diesen drei’n. –
– Schleicht Euch nicht weg, Freund. Denn der Mönch und Ihr
Sind noch nicht fertig; haltet mir ihn fest!
Lucio
.
Das kann noch schlimmer werden als hängen.
Herzog
zu Escalus.
Was Ihr gesagt, will ich verzeihn. Setzt Euch!
Zu Angelo.
Wir borgen diesen Platz, – mit Eurer Gunst. –
– Hast du noch Wort und Witz, hast du noch Frechheit,
Die zu Gebot dir stehn? Wenn du sie hast,
So halt’ sie fest, bis ich zu End’ erzählt,
Und zittre dann! –
Angelo
.
O mein furchtbarer Fürst!
Ich wäre schuld’ger wohl als meine Schuld,
Dächt’ ich, ich könnt’ Euch irgend noch entschlüpfen,
Da ich erkannt, wie Ihr mein Tun
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