Sämtliche Dramen
Kriegsschrei sei verwandelt,
Der in die Trommeln rief, jetzt in ein Pfeifchen,
Dünn wie des Hämlings, wie des Mädchens Stimme,
Die Kinder einlullt; eines Buben Lächeln
Wohn’ auf der Wange mir; Schulknabentränen
Verdunkeln mir den Blick; des Bettlers Zunge
Reg’ in dem Mund sich; mein bepanzert Knie,
Das nur im Bügel krumm war, beuge sich
Wie des, der Pfenn’ge fleht! – Ich will’s nicht tun,
Nicht so der eignen Wahrheit Ehre schlachten
Und durch des Leibs Gebärdung meinen Sinn
Zu ew’ger Schand’ abrichten.
Volumnia
.
Wie du willst.
Von dir zu betteln ist mir größre Schmach,
Als dir von ihnen. Fall’ alles denn in Trümmer!
Mag lieber deinen Stolz die Mutter fühlen,
Als stets Gefahr von deinem Starrsinn fürchten!
Den Tod verlach’ ich, großgeherzt wie du.
Mein ist dein Mut, ja, den sogst du von mir:
Dein Stolz gehört dir selbst.
Coriolanus
.
Sei ruhig, Mutter,
Ich bitte dich! – Ich gehe auf den Markt;
Schilt mich nicht mehr! Als Taschenspieler nun
Stehl’ ich jetzt ihre Herzen, kehre heim,
Von jeder Zunft geliebt. Siehst du, ich gehe.
Grüß’ meine Frau! Ich kehr’ als Konsul wieder;
Sonst glaube nie, daß meine Zung’ es weit
Im Weg des Schmeichelns bringt!
Volumnia
.
Tu’, was du willst!
Sie geht ab.
Cominius
.
Fort, die Tribunen warten. Rüstet Euch
Mit milder Antwort; denn sie sind bereit,
Hör’ ich, mit härtern Klagen, als die jetzt
Schon auf Euch lasten.
Coriolanus
.
»Mild« ist die Losung. Bitte, laßt uns gehn:
Laßt sie mit Falschheit mich beschuld’gen, ich
Antworte ehrenvoll.
Menenius
.
Nur aber milde!
Coriolanus
.
Gut, milde sei’s denn, milde!
Alle ab.
¶
Dritte Szene
Sicinius und Brutus treten auf.
Brutus
.
Das muß der Hauptpunkt sein: daß er erstrebt
Tyrannische Gewalt; entschlüpft er da,
Treibt ihn mit seinem Volkshaß in die Enge,
Und daß er nie verteilen ließ die Beute,
Die den Antiaten abgenommen ward.
Ein Ädil tritt auf.
Nun, kommt er?
Ädil
.
Er kommt.
Brutus
.
Und wer begleitet ihn?
Ädil
.
Der alte
Menenius und die Senatoren, die
Ihn stets begünstigt.
Brutus
.
Habt Ihr ein Verzeichnis
Von allen Stimmen, die wir uns verschafft,
Geschrieben nach der Ordnung?
Ädil
.
Ja, hier ist’s.
Brutus
.
Habt Ihr nach Tribus sie gesammelt?
Ädil
.
Ja.
Sicinius
.
So ruft nun ungesäumt das Volk hieher,
Und hören sie mich sagen: »So soll’s sein,
Nach der Gemeinen Fug und Recht«, sei’s nun
Tod, Geldbuß’ oder Bann: so laß sie schnell
»Tod« rufen; sag’ ich »Tod!« »Geldbuße«, sag’ ich »Buße«,
Auf ihrem alten Vorrecht so bestehn
Und auf der Kraft in der gerechten Sache.
Ädil
.
Ich will sie unterweisen.
Brutus
.
Und haben sie zu schreien erst begonnen,
Nicht aufgehört! nein, dieser wilde Lärm
Muß die Vollstreckung augenblicks erzwingen
Der Strafe, die wir rufen.
Ädil
.
Wohl, ich gehe.
Sicinius
.
Und mach’ sie stark und unserm Wink bereit,
Wann wir ihn immer geben!
Brutus
.
Macht Euch dran!
Der Ädil geht ab.
Reizt ihn sogleich zum Zorn; er ist gewohnt
Zu siegen, und ihm gilt als höchster Ruhm
Der Widerspruch. Einmal in Wut, nie lenkt er
Zur Mäßigung zurück; dann spricht er aus,
Was er im Herzen hat; genug ist dort,
Was uns von selbst hilft, ihm den Hals zu brechen.
Es treten auf Coriolanus, Menenius, Cominius, Senatoren und Patrizier.
Sicinius
.
Nun seht, hier kommt er!
Menenius
.
Sanft, das bitt’ ich dich!
Coriolanus
.
Ja, wie ein Stallknecht, der für lump’gen Heller
Den Schurken zehnfach einsteckt. – Hohe Götter!
Gebt Rom den Frieden, und den Richterstühlen
Biedere Männer! Pflanzet Lieb’ uns ein!
Füllt dicht mit Friedensprunk die Tempelhallen,
Und nicht mit Krieg die Straßen!
Erster Senator
.
Amen! Amen!
Menenius
.
Ein edler Wunsch!
Sicinius
.
Ihr Bürger, tretet naher!
Der Ädil kommt mit den Bürgern.
Ädil
.
Auf die Tribunen merkt! Gebt acht! Still! still!
Coriolanus
.
Erst hört mich reden!
Beide Tribunen
.
Gut, sprecht – ruhig denn!
Coriolanus
.
Werd’ ich nicht weiter angeklagt, als hier?
Wird alles jetzt gleich ausgemacht?
Sicinius
.
Ich frage:
Ob Ihr des Volkes Stimm’ Euch unterwerft,
Die Sprecher anerkennt, und willig tragt
Die Strafe des Gesetzes für die Fehler,
Die man Euch dartun wird?
Coriolanus
.
Ich trage sie.
Menenius
.
Oh, Bürger, seht! er sagt, er will sie tragen:
Der Kriegesdienste, die er tat, gedenkt;
Seht an die Wunden, die sein Körper hat:
Sie
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