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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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niederschauend, unsre Wangen sehn
    Entstellt und feucht, gleich Wiesen, noch nicht trocken
    Vom Schlamm, mit dem die Flut sie überschwemmt?
    Und soll’n wir starren in den Quell so lang’,
    Bis sich des Wassers süße Klarheit trübt,
    Und salzig wird durch unsre bittern Tränen?
    Soll’n wir die Hand uns weghaun so wie dir,
    Die Zung’ abbeißen, und mit stummen Zeichen
    Verhaßter Tage Überrest verbringen?
    Was soll’n wir tun? Laßt uns, die Zungen haben,
    Ein Jammerspiel entwerfen fernern Elends,
    Daß wir ein Wunder werden künft’ger Zeit!
    Lucius
.
    Mein Vater, weint nicht mehr; bei Euerm Gram,
    Seht, wie die arme Schwester schluchzt und stöhnt! –
    Marcus
.
    Still, Nichte! – Titus, trockne dir die Augen!
    Titus
.
    Ah, Marcus, Marcus! Oh, ich weiß, mein Bruder,
    Dein Tuch kann keine meiner Tränen fassen,
    Du hast es mit den eignen schon ertränkt.
    Lucius
.
    Ach, Schwester! deine Wangen trockn’ ich ab!
    Titus
.
    Sieh, Marcus, ihre Zeichen merk’ ich wohl;
    Fehlt’ ihr die Zunge nicht, jetzt spräche sie
    Zu ihrem Bruder, wie ich sprach zu dir;
    Sein Tuch, von frommen Tränen ganz durchnetzt,
    Ist ihrer Wange nun zu keinem Dienst! –
    Wer fühlte Leid und Sorgen je, wie diese,
    Von Hülfe fern, wie Höll’ vom Paradiese?
    Aaron kommt.
    Aaron
.
    Titus Andronicus, mein Herr, der Kaiser,
    Entbeut dir: wenn dir deine Söhne lieb,
    Soll Marcus, Lucius, wer es sei von euch,
    Oder du, Alter, selbst, abhaun die Hand,
    Und sie dem König senden; alsobald
    Schickt er die Söhne lebend dir zurück;
    Das soll die Buße sein für ihre Schuld.
    Titus
.
    O gnäd’ger Kaiser! O huldvoller Mohr!
    Sang je ein Rabe so der Lerche gleich,
    Die süße Zeitung gibt vom Morgenrot?
    Mit Freuden send’ ich gleich dem Kaiser meine Hand;
    Willst du sie abhaun helfen, lieber Mohr?
    Lucius
.
    Halt, Vater! diese edle, tapfre Hand,
    Die sonst so manchen Feind zu Boden warf,
    Sollst du nicht senden: meine bring’ ich dar;
    Der Jüngre mißt wohl eh’r sein Blut als du,
    Und deshalb zahl’ ich für der Brüder Haupt.
    Marcus
.
    Wes Hand von euch hat Rom nicht Schutz verliehn
    Und hoch im Kampf die blut’ge Axt gezückt,
    Vernichtung schreibend auf der Feinde Helm?
    Oh, keine, die nicht höchsten Ruhm erfocht,
    Und meine war nur müßig; diene sie,
    Vom Tod die beiden Neffen zu befrein,
    Dann hab’ ich sie zu würd’gem Zweck bewahrt.
    Aaron
.
    Nun, einigt euch, wes Hand soll mit mir gehn,
    Daß sie nicht sterben, eh’ die Rettung kam.
    Marcus
.
    Nehmt meine Hand!
    Lucius
.
    Beim Himmel, deine nicht!
    Titus
.
    Nicht fürder streitet; welkes Kraut, wie dies,
    Ist gut, es auszuraufen: nehmt denn meine! –
    Lucius
.
    Mein Vater, wenn dein Sohn ich heißen soll,
    Laß mich die Brüder retten von dem Tod!
    Marcus
.
    Um unsres Vaters, unsrer Mutter willen,
    Heut laß mich zeigen, wie ein Bruder liebt!
    Titus
.
    So tret’ ich denn zurück: vereint euch drum!
    Lucius
.
    Ich geh’ und hol’ die Axt.
    Marcus
.
    Und ich gebrauche sie.
    Lucius und Marcus gehn.
    Titus
.
    Komm hieher, Mohr, betrügen will ich sie;
    Leih’ mir die Hand, und meine geb’ ich dir.
    Aaron
beiseit:
    Wenn das Betrug heißt, will ich ehrlich sein,
    und keinen so betrügen, das ist klar.
    Doch ich betrüg’ euch wohl auf andre Art,
    In einer halben Stunde sollt ihr’s sehn.
    Er haut Titus’ Hand ab. Lucius und Marcus kommen zurück.
    Titus
.
    Nun laßt den Streit: was sein muß, ist getan. –
    Mein guter Mohr, dem Kaiser gib die Hand;
    Sag, dies war eine Hand, die ihn geschützt
    Manch tausendmal; begraben soll er sie,
    Sie hat wohl mehr verdient, dies gönn’ er ihr.
    Und meine Söhne, sag ihm, acht’ ich nun
    Wie Edelsteine, wohlfeil mir erkauft,
    Und dennoch teu’r, weil ich gekauft, was mein.
    Aaron
.
    Ich geh’, Andronicus; für deine Hand
    Mach’ dich bereit, die Söhne bald zu sehn; –
    beiseit
    Der Buben Häupter mein’ ich. – Wie der Streich,
    Wenn ich dran denke, mich ergötzt und weidet! –
    Laß Narr’n und Weiße fromm um Gnade werben,
    Mag Schwarz mir Antlitz so wie Seele färben!
    Geht ab.
    Titus
.
    Hier heb’ ich auf die eine Hand zum Himmel,
    Zur Erde beug’ ich diese schwache Trümmer:
    Gibt’s eine Macht, die meine Träne rührt,
    Die fleh’ ich an.
    Zu Lavinia.
    Was, willst du mit mir knien?
    Tu’s, liebes Herz; der Himmel muß uns hören!
    Sonst hauchen wir die Luft mit Seufzern trüb,
    Die Sonne schwärzend, wie die Wolken tun,
    Wenn sie in ihrer feuchten Brust sie bergen.
    Marcus
.
    O Bruder, sprich von

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