Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
Vom Netzwerk:
entfernt sich langsam. Julia erscheint wieder am Fenster.
    Julia
.
    St! Romeo, st! – Oh, eines Jägers Stimme,
    Den edlen Falken wieder herzulocken!
    Abhängigkeit ist heiser, wagt nicht laut
    Zu reden, sonst zersprengt’ ich Echos Kluft,
    Und machte heis’rer ihre luft’ge Kehle,
    Als meine, mit dem Namen Romeo.
    Romeo
umkehrend.
    Mein Leben ist’s, das meinen Namen ruft.
    Wie silbersüß tönt bei der Nacht die Stimme
    Der Liebenden, gleich lieblicher Musik
    Dem Ohr des Lauschers!
    Julia
.
    Romeo!
    Romeo
.
    Mein Fräulein?
    Julia
.
    Um welche Stunde soll ich morgen schicken?
    Romeo
.
    Um neun.
    Julia
.
    Ich will nicht säumen: zwanzig Jahre
    Sind’s bis dahin. Doch ich vergaß, warum
    Ich dich zurückgerufen.
    Romeo
.
    Laß hier mich stehn, derweil du dich bedenkst.
    Julia
.
    Auf daß du stets hier weilst, werd’ ich vergessen,
    Bedenkend, wie mir deine Näh’ so lieb.
    Romeo
.
    Auf daß du stets vergessest, werd’ ich weilen,
    Vergessend, daß ich irgend sonst daheim.
    Julia
.
    Es tagt beinah’, ich wollte nun, du gingst:
    Doch weiter nicht, als wie ein tändelnd Mädchen
    Ihr Vögelchen der Hand entschlüpfen läßt,
    Gleich einem Armen in der Banden Druck,
    Und dann zurück ihn zieht am seidnen Faden;
    So liebevoll mißgönnt sie ihm die Freiheit.
    Romeo
.
    Wär’ ich dein Vögelchen!
    Julia
.
    Ach, wärst du’s, Lieber!
    Doch hegt’ und pflegt’ ich dich gewiß zu Tod.
    Nun gute Nacht! So süß ist Trennungswehe,
    Ich rief’ wohl gute Nacht, bis ich den Morgen sähe.
    Sie geht zurück.
    Romeo
.
    Schlaf’ wohn’ auf deinem Aug’, Fried’ in der Brust!
    O wär’ ich Fried’ und Schlaf, und ruht’ in solcher Lust!
    Ich will zur Zell’ des frommen Vaters gehen,
    Mein Glück ihm sagen, und um Hülf’ ihn flehen.
    Ab.
    ¶

Dritte Szene
    Ein Klostergarten.
    Bruder Lorenzo mit einem Körbchen.
    Lorenzo
.
    Der Morgen lächelt froh der Nacht ins Angesicht
    Und säumet das Gewölk im Ost mit Streifen Licht.
    Die matte Finsternis flieht wankend, wie betrunken,
    Von Titans Pfad, besprüht von seiner Rosse Funken.
    Eh’ höher nun die Sonn’ ihr glühend Aug’ erhebt,
    Den Tau der Nacht verzehrt und neu die Welt belebt,
    Muß ich dies Körbchen hier voll Kraut und Blumen lesen,
    Voll Pflanzen gift’ger Art, und diensam zum Genesen.
    Die Mutter der Natur, die Erd’, ist auch ihr Grab,
    Und was ihr Schoß gebar, sinkt tot in ihn hinab.
    Und Kinder mannigfalt, so all ihr Schoß empfangen,
    Sehn wir, gesäugt von ihr, an ihren Brüsten hangen;
    An vielen Tugenden sind viele drunter reich,
    Ganz ohne Wert nicht eins, doch keins dem andern gleich.
    Oh, große Kräfte sind’s, weiß man sie recht zu pflegen,
    Die Pflanzen, Kräuter, Stein’ in ihrem Innern hegen.
    Was nur auf Erden lebt, da ist auch nichts so schlecht,
    Daß es der Erde nicht besondern Nutzen brächt’.
    Doch ist auch nichts so gut, das, diesem Ziel entwendet,
    Abtrünnig seiner Art, sich nicht durch Mißbrauch schändet.
    In Laster wandelt sich selbst Tugend, falsch geübt,
    Wie Ausführung auch wohl dem Laster Würde gibt.
    Die kleine Blume hier beherbergt gift’ge Säfte
    In ihrer zarten Hüll’ und milde Heilungskräfte!
    Sie labet den Geruch, und dadurch jeden Sinn;
    Gekostet, dringt sie gleich zum Herzen tötend hin.
    Zwei Feinde lagern so im menschlichen Gemüte
    Sich immerdar im Kampf: verderbter Will’ und Güte;
    Und wo das Schlechtre herrscht mit siegender Gewalt,
    Dergleichen Pflanze frißt des Todes Wurm gar bald.
    Romeo tritt auf.
    Romeo
.
    Mein Vater, guten Morgen!
    Lorenzo
.
    Sei der Herr gesegnet!
    Wes ist der frühe Gruß, der freundlich mir begegnet?
    Mein junger Sohn, es zeigt, daß wildes Blut dich plagt,
    Daß du dem Bett so früh schon Lebewohl gesagt.
    Die wache Sorge lauscht im Auge jedes Alten,
    Und Schlummer bettet nie sich da, wo Sorgen walten.
    Doch da wohnt goldner Schlaf, wo mit gesundem Blut
    Und grillenfreiem Hirn die frische Jugend ruht.
    Drum läßt mich sicherlich dein frühes Kommen wissen,
    Daß innre Unordnung vom Lager dich gerissen.
    Wie? oder hätte gar mein Romeo die Nacht
    (Nun rat’ ich’s besser) nicht im Bette hingebracht?
    Romeo
.
    So ist’s, ich wußte mir viel süßre Ruh’ zu finden.
    Lorenzo
.
    Verzeih’ die Sünde Gott! Warst du bei Rosalinden?
    Romeo
.
    Bei Rosalinden, ich? Ehrwürd’ger Vater, nein!
    Vergessen ist der Nam’ und dieses Namens Pein.
    Lorenzo
.
    Das ist mein wackrer Sohn! Allein wo warst du? sage!
    Romeo
.
    So hör’: ich spare gern dir eine zweite

Weitere Kostenlose Bücher