Sämtliche Dramen
ermorden.
Romeo
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Ach, deine Augen drohn mir mehr Gefahr
Als zwanzig ihrer Schwerter; blick’ du freundlich,
So bin ich gegen ihren Haß gestählt.
Julia
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Ich wollt’ um alles nicht, daß sie dich sähn.
Romeo
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Vor ihnen hüllt mich Nacht in ihren Mantel.
Liebst du mich nicht, so laß sie nur mich finden:
Durch ihren Haß zu sterben wär’ mir besser,
Als ohne deine Liebe Lebensfrist.
Julia
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Wer zeigte dir den Weg zu diesem Ort?
Romeo
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Die Liebe, die zuerst mich forschen hieß.
Sie lieh mir Rat, ich lieh ihr meine Augen.
Ich bin kein Steuermann; doch wärst du fern
Wie Ufer, von dem fernsten Meer bespült,
Ich wagte mich nach solchem Kleinod hin.
Julia
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Du weißt, die Nacht verschleiert mein Gesicht,
Sonst färbte Mädchenröte meine Wangen
Um das, was du vorhin mich sagen hörtest.
Gern hielt’ ich streng auf Sitte, möchte gern
Verleugnen, was ich sprach: doch weg mit Förmlichkeit!
Sag, liebst du mich? Ich weiß, du wirst’s bejahn,
Und will dem Worte traun; doch wenn du schwörst,
So kannst du treulos werden; wie sie sagen,
Lacht Jupiter des Meineids der Verliebten.
O holder Romeo! wenn du mich liebst:
Sag’s ohne Falsch! Doch dächtest du, ich sei
Zu schnell besiegt, so will ich finster blicken,
Will widerspenstig sein, und nein dir sagen,
So du dann werben willst: sonst nicht um alles!
Gewiß, mein Montague, ich bin zu herzlich;
Du könntest denken, ich sei leichten Sinns.
Doch glaube, Mann, ich werde treuer sein
Als sie, die fremd zu tun geschickter sind.
Auch ich, bekenn’ ich, hätte fremd getan,
Wär’ ich von dir, eh’ ich’s gewahrte, nicht
Belauscht in Liebesklagen. Drum vergib!
Schilt diese Hingebung nicht Flatterliebe,
Die so die stille Nacht verraten hat!
Romeo
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Ich schwöre, Fräulein, bei dem heil’gen Mond,
Der silbern dieser Bäume Wipfel säumt ...
Julia
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O schwöre nicht beim Mond, dem Wandelbaren,
Der immerfort in seiner Scheibe wechselt,
Damit nicht wandelbar dein Lieben sei!
Romeo
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Wobei denn soll ich schwören?
Julia
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Laß es ganz!
Doch willst du, schwör’ bei deinem edlen Selbst,
Dem Götterbilde meiner Anbetung!
So will ich glauben.
Romeo
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Wenn die Herzensliebe ...
Julia
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Gut, schwöre nicht: Obwohl ich dein mich freue,
Freu’ ich mich nicht des Bundes dieser Nacht.
Er ist zu rasch, zu unbedacht, zu plötzlich;
Gleicht allzusehr dem Blitz, der nicht mehr ist,
Noch eh’ man sagen kann: »Es blitzt.« – Schlaf’ süß!
Des Sommers warmer Hauch kann diese Knospe
Der Liebe wohl zur schönen Blum’ entfalten,
Bis wir das nächste Mal uns wiedersehn.
Nun gute Nacht! So süße Ruh’ und Frieden,
Als mir im Busen wohnt, sei dir beschieden!
Romeo
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Ach, du verlässest mich so unbefriedigt?
Julia
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Was für Befriedigung begehrst du noch?
Romeo
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Gib deinen treuen Liebesschwur für meinen!
Julia
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Ich gab ihn dir, eh’ du darum gefleht:
Und doch, ich wollt’, er stünde noch zu geben.
Romeo
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Wollt’st du ihn mir entziehn? Wozu das, Liebe?
Julia
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Um unverstellt ihn dir zurückzugeben.
Allein ich wünsche, was ich habe, nur.
So grenzenlos ist meine Huld, die Liebe
So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe,
Je mehr auch hab’ ich: beides ist unendlich.
Ich hör’ im Haus Geräusch; leb wohl, Geliebter!
Die Wärterin ruft hinter der Szene.
Gleich, Amme! Holder Montague, sei treu!
Wart’ einen Augenblick: ich komme wieder.
Sie geht zurück.
Romeo
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O sel’ge, sel’ge Nacht! Nur fürcht’ ich, weil
Mich Nacht umgibt, dies alles sei nur Traum,
Zu schmeichelnd süß, um wirklich zu bestehn.
Julia erscheint wieder am Fenster
Julia
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Drei Worte, Romeo; dann gute Nacht!
Wenn deine Liebe, tugendsam gesinnt,
Vermählung wünscht, so laß mich morgen wissen
Durch jemand, den ich zu dir senden will,
Wo du und wann die Trauung willst vollziehn.
Dann leg’ ich dir mein ganzes Glück zu Füßen,
Und folge durch die Welt dir als Gebieter. –
Die Wärterin hinter der Szene: »Fräulein!«
Ich komme; gleich! – Doch meinst du es nicht gut,
So bitt’ ich dich ...
Die Wärterin hinter der Szene: »Fräulein!«
Im Augenblick: ich komme! –
... Hör’ auf zu werben, laß mich meinem Gram!
Ich sende morgen früh –
Romeo
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Beim ew’gen Heil –
Julia
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Nun tausend gute Nacht!
Geht zurück
Romeo
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Raubst du dein Licht ihr, wird sie bang durchwacht.
Wie Knaben aus der Schul’, eilt Liebe hin zum Lieben,
Wie Knaben an ihr Buch, wird sie hinweg getrieben.
Er
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