Sämtliche Dramen
hitzig, Prinz!
Laßt mir das Vorrecht meiner Sendung, daß
Ich frei hier sprechen darf. Bin ich erst fort,
Dann folg’ ich meiner Willkür; und vernimm,
Ich tu’ nichts auf Geheiß: nach ihrem Wert
Wird sie geschätzt; doch sprichst du: So soll’s sein,
Werd’ ich nach Mut und Her’ erwidern: Nein!
Troilus
.
So komm zum Tor! – Und wisse, Diomed,
Daß, wer hier trotzt, dereinst um Gnade fleht.
Gebt, Fräulein, mir die Hand, und mag im Wandeln
Ein leises Wort des Herzens Wunsch verhandeln.
Troilus und Cressida gehn ab. Trompetenstoß.
Paris
.
Horch! Hektors Herold! –
Äneas
.
Wie der Morgen schwand!
Der Prinz muß träge mich und säumig schelten,
Da ich versprach, vor ihm im Feld zu sein.
Paris
.
Die Schuld trägt Troilus: kommt, ins Feld mit ihm!
Diomedes
.
Nun laßt uns eilig sein!
Äneas
.
Ja, mit des Bräut’gams muntrer Freudigkeit
Woll’n wir dem Hektor folgen auf dem Fuß.
Heut ficht für unsres Troja Heil und Ruhm
Sein Arm allein und edles Rittertum! –
Sie gehn ab.
¶
Fünfte Szene
Das griechische Lager.
Es treten auf Ajax, in voller Rüstung; Agamemnon, Achilles, Patroklus, Menelaus, Ulysses, Nestor und Gefolge.
Agamemnon
.
Hier stehst du, Auserwählter, frisch und kühn,
Der Zeit voreilend mit frühregem Mut.
Laß die Drommete laut dich Troja künden,
Furchtbarer Ajax, daß die Luft entsetzt
Des großen Kämpen Ohr durchbohre scharf
Und stürm’ ihn her!
Ajax
.
Trompeter, nimm die Börse;
Nun spreng’ die Lung’ und brich dein erznes Rohr:
Blas’, Kerl, bis deine aufgeschwellte Wange
Noch straffer sei als Pausback Aquilo;
Dehn’ aus die Brust, dem Aug’ entspritze Blut,
Du schmetterst Hektorn mir heran!
Ulysses
.
Kein Erz gibt Antwort! –
Achilles
.
’s ist noch früh am Tag.
Agamemnon
.
Kommt dort nicht Diomed mit Kalchas’ Tochter?
Ulysses
.
Ja wohl, ich kenn’ ihn an der Art des Gangs,
Er hebt sich auf den Zeh’n; hochatmend strebt
Sein Geist von dieser Erd’ empor.
Diomedes und Cressida treten auf.
Agamemnon
.
Ist dies das Fräulein Cressida?
Diomedes
.
Sie ist’s.
Agamemnon
.
Seid hold gegrüßt den Griechen, schönes Fräulein!
Nestor
.
Mit einem Kuß begrüßt Euch der Feldhauptmann.
Ulysses
.
Wer möchte nicht solch reizend Feld behaupten?
Wir folgen Haupt für Haupt dem Mann ins Feld.
Nestor
.
Ein trefflich art’ger Vorschlag! Ich beginne: –
Soviel für Nestor.
Achilles
.
Ich will das Eis von Euern Lippen küssen:
Achill heißt Euch willkommen, schönes Kind.
Menelaus
.
Zum Küssen hatt’ ich hübschen Anlaß sonst –
Patroklus
.
Doch ist das Anlaß nicht zum Küssen jetzt: –
Denn so wie ich drang Paris Euch ins Haus,
Und mit dem hübschen Anlaß war es aus.
Ulysses
.
O bittre Schmach! All unsrer Leiden Born!
Mit unserm Lebensblut färbt er sein Horn!
Patroklus
.
Der Kuß für Menelaus, der für mich;
Patroklus küßt Euch.
Menelaus
.
Ei, so abzuziehn!
Patroklus
.
Paris und ich, wir küssen stets für ihn.
Menelaus
.
Erlaubt mir, meinen Kuß will ich nicht missen.
Cressida
.
So sagt, empfangt Ihr oder nehmt im Küssen?
Menelaus
.
Ich nehm’ und geb’ im Kusse.
Cressida
.
Dann vergönnt:
Ihr nehmt Euch bessern, als Ihr geben könnt;
Drum keinen Kuß.
Menelaus
.
Ich zahl’ Euch Aufgeld, geb’ Euch drei für einen ;
Cressida
.
Von einem halben Manne nehm’ ich keinen.
Menelaus
.
Ein halber? Und wo wär’ die andre Hälfte?
Cressida
.
Die hat Prinz Paris längst sich eingefangen,
Als er mit Eurer Frau davon gegangen.
Menelaus
.
Ihr schnippt mir an die Stirn!
Cressida
.
O nein, fürwahr!
Ulysses
.
Wie brächt’ Eu’r Händchen seinem Horn Gefahr?
Darf ich um einen Kuß Euch bitten, Schöne?
Cressida
.
Ihr dürft!
Ulysses
.
Gern hätt’ ich einen!
Cressida
.
Nun, so bittet!
Ulysses
.
Um Venus werde mir ein Kuß von dir,
Wenn Helena als Jungfrau lebt, und hier!
Cressida
.
Sobald die Schuld verfallen, zahl’ ich sie.
Ulysses
.
Dann hat es gute Zeit, Ihr küßt mich nie.
Diomedes
.
Fräulein, ein Wort: ich bring’ Euch Euerm Vater.
Geht mit Cressida ab.
Nestor
.
Sie hat behenden Witz.
Ulysses
.
Pfui über sie!
An ihr spricht alles, Auge, Wang’ und Lippe,
Ja selbst ihr Fuß: der Geist der Lüsternheit
Blickt vor aus jedem Glied und Schritt und Tritt.
O der Kampflustigen, so zungenglatt
Die Willkomm’ schielen, eh’ man sie noch grüßt,
Und weit auftun die Blätter ihres Denkbuchs
Für jeden üpp’gen Leser! Merkt sie
Weitere Kostenlose Bücher