Sämtliche Dramen
Paris:
Für jeden Tropfen ihres schnöden Bluts
Zahlt eines Griechen Leben; jeder Skrupel
Des pesterfüllten, buhlerischen Leibes
Erschlug ’nen Troer. Seit sie stammeln konnte,
Sprach sie der guten Worte nicht so viel,
Als griechisch Volk und troisch für sie fiel.
Paris
.
Freund Diomed, Ihr macht’s wie kluge Käufer
Und schmäht das Gut, das Ihr zu markten wünscht; –
Doch wir sind Euch voraus und schweigen still;
Man rühmt nicht, was man nicht verkaufen will.
Hier geht der Weg. –
Sie gehn ab.
¶
Zweite Szene
Garten.
Troilus und Cressida.
Troilus
.
Mein Liebchen, müh’ dich nicht; die Luft ist kalt.
Cressida
.
Dann, Liebster, ruf ich mir den Ohm herab,
Er soll das Tor aufschließen.
Troilus
.
Stör’ ihn nicht!
Zu Bett, zu Bett! Schlaft süß, ihr holden Augen,
Und linde Ruh’ umschmiege deine Sinnen
Wie Kindern, aller Sorgen frei!
Cressida
.
Guten Morgen denn!
Troilus
.
Ich bitt’ dich, nun zu Bett! –
Cressida
.
So seid Ihr mein schon müde?
Troilus
.
O Cressida! Nur daß der rege Tag,
Geweckt vom Lerchenton, aufscheucht die Krähe,
Und Nacht nicht länger unsre Freuden birgt,
Sonst schied’ ich nicht.
Cressida
.
Die Nacht war allzu kurz!
Troilus
.
Giftmischern weilt die widerwärt’ge Hexe,
Wie Hölle scheußlich; doch der Liebe Kosen
Flieht sie, mit Schwingen schneller als Gedanken. –
Erkälten wirst du dich und auf mich zürnen.
Cressida
.
O blieb’ noch! Männer wollen niemals warten.
Ich Törin! Hätt’ ich nein zu dir gesagt,
Dann würd’st du wohl noch warten. Horch! Wer kommt?
Pandarus
draußen.
Was? Alle Türen offen?
Troilus
.
’s ist dein Oheim.
Pandarus kommt.
Cressida
.
Der Unerträgliche! Nun wird er spotten,
Das wird ein Leiden sein –
Pandarus
. Nun, wie geht’s? wie geht’s? Wie steht’s um die Jungfernschaft? Hört, Ihr, Jungfer: wo ist meine Nichte Cressida? –
Cressida
.
Fort, fort mit Euch, Ihr böser, spött’scher Ohm!
Erst treibt Ihr mich dazu, dann höhnt Ihr mich!
Pandarus
. Wozu? Wozu? Nun sage doch einmal, wozu? Wozu habe ich dich gebracht?
Cressida
.
Pfui, schlimmer Ohm! Ihr selbst tut nimmer gut,
Noch leidet Ihr’s von andern.
Pandarus
. Ha, ha, ha! Ach du armes Ding! Das liebe Närrchen! Hast du diese Nacht nicht geschlafen? Wollte er dich nicht schlafen lassen, der garstige Mann? Hol’ ihn der Popanz! –
Es wird an die Tür geklopft.
Cressida
.
Sagt’ ich’s nicht? – Klopft doch lieber seinen Kopf!
Wer pocht so? Geht doch, lieber Oheim, seht!
Ihr, Liebster, kommt zurück in meine Kammer –
Ihr lächelt spöttisch, als meint’ ich was Arges.
Troilus
.
Ha, ha!
Cressida
.
Ihr irrt Euch; nein, an so was denk’ ich nicht.
Man klopft wieder.
Wie stark man klopft! Ich bitt’ Euch, geht hinein;
Halb Troja nähm’ ich nicht, wenn man Euch fände.
Sie gehn.
Pandarus
. Wer ist denn da? Was gibt’s? Wollt Ihr die Tür einschlagen? Was ist? Was gibt’s? –
Äneas tritt auf.
Äneas
. Guten Morgen, Herr, guten Morgen!
Pandarus
. Wer ist’s? Fürst Äneas? Auf meine Ehre, ich kannte Euch nicht; was bringt Ihr so früh Neues?
Äneas
. Ist nicht Prinz Troilus hier? –
Pandarus
. Hier? Was sollte er wohl hier machen?
Äneas
.
Ei, er ist hier; verleugnet ihn nur nicht!
Es liegt ihm viel daran, mit mir zu reden.
Pandarus
. Er ist hier, sagt Ihr? Das ist mehr, als ich weiß, das schwöre ich Euch. Was mich betrifft, so kam ich spät heim. Was sollte er hier zu tun haben?
Äneas
.
Wer? Nun, wahrhaftig, –
Geht, geht! Ihr tut ihm Schaden, eh’ Ihr’s denkt;
Ihr wollt ihm treu sein und verratet ihn –
Wißt immer nichts von ihm, nur holt ihn her!
Geht! –
Während Pandarus abgeht, kommt Troilus.
Troilus
.
Nun, was gibt es hier?
Äneas
.
Kaum bleibt mir Zeit, Euch zu begrüßen, Prinz,
So drängt mich mein Geschäft. Ganz nah schon sind
Eu’r Bruder Paris und Deiphobus,
Der Grieche Diomed und, neu befreit,
Unser Antenor; und für diesen soll’n wir
Noch diese Stunde, vor dem Morgenopfer,
In Diomedes’ Hand als Preis erstatten
Das Fräulein Cressida.
Troilus
.
Ist das beschlossen?
Äneas
.
Von Priamus und Trojas ganzem Rat;
Sie nahn und sind bereit, es zu vollziehn.
Troilus
.
Wie spottet mein nun der errungne Preis! –
Ich geh’, sie zu empfahn, und Ihr, Äneas,
Traft mich durch Zufall, fandet mich nicht hier.
Äneas
.
Recht wohl, mein Prinz! Naturgeheimnisse
Sind nicht mit größrer Schweigsamkeit begabt. –
Troilus und Äneas gehn
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