Sämtliche Dramen
Szene
Ebendaselbst.
Achilles tritt auf, mit einem Gefolge von Myrmidonen.
Achilles
.
Kommt um mich her, ihr, meine Myrmidonen,
Vernehmt mein Wort: Folgt mir, wohin ich führe;
Tut keinen Streich, erhaltet frisch die Kraft;
Doch wenn der blut’ge Hektor uns erscheint,
Dann rings mit euren Lanzen pfählt ihn ein,
Und ohn’ Erbarmen braucht mir eure Waffen!
Folgt, Knappen, schaut mir nach, wohin ich leite:
Held Hektor sei des Todes sichre Beute! –
Sie gehn ab.
¶
Achte Szene
Ebendaselbst.
Thersites, Menelaus und Paris treten auf.
Thersites
. Der Hahnrei und der Hahnreimacher sind an einander: nun drauf los, Stier! Drauf los, Köter! Faß ihn, Paris, faß! – Frisch, du Spatz mit der zweimännigen Henne; faß, Paris, faß! – Der Stier hat den Vorteil; nimm dich vor den Hörnern in acht, ho! –
Paris und Menelaus ab. Margarelon tritt auf.
Margarelon
. Komm, Sklav’, und ficht!
Thersites
. Wer bist du?
Margarelon
. Ein Bastardsohn des Priamus.
Thersites
. Ich bin auch ein Bastard; ich liebe die Bastarde; ich bin ein eingefleischter Bastard, ein ausgelernter Bastard, ein Bastard an Geist, Bastard an Herz, in allen Dingen illegitim. Eine Krähe hackt der andern die Augen nicht aus, warum soll’s ein Bastard? Sieh dich vor; der Kampf wäre für uns gegen alle Religion: wenn der Sohn einer Hure für eine Hure ficht, so ist kein Menschenverstand drin. Leb wohl, Bastard!
Margarelon
. Hol’ dich der Teufel, Feighard! – Gehn ab.
¶
Neunte Szene
Ebendaselbst.
Hektor tritt auf.
Hektor
.
Du ganz verfaulter Kern, so schön von außen
Dein schmucker Panzer brachte dir den Tod. –
Mein Tagwerk ist getan, gekühlt mein Mut:
Ruh’ jetzt, mein Schwert, du schwelgtest heut in Blut.
Er legt den Helm und Schild ab.
Achilles tritt auf mit seinen Myrmidonen.
Achilles
.
Sieh, Hektor, wie die Sonne sinkt herab
Und schwarze Nacht auf ihren Spuren keucht:
Und wenn die Sonn’ im Dunkel niederschwebt,
Erlischt der Tag, und Hektor hat gelebt.
Hektor
.
Entwaffnet bin ich: dann wirst du nicht fechten!
Achilles
.
Schlagt, Bursche, schlagt! Wir trafen hier den Rechten.
Hektor fällt.
So, Ilion, fall’ auch du! Troja, stürz’ ein!
Hier liegt dein Herz, dein Nerv und dein Gebein: –
Auf, Myrmidonen, ruft aus aller Macht:
Achilles hat den Hektor umgebracht! –
Horch! Rückzug wird geblasen von den Griechen!
Myrmidonen
.
Im Troerfeld ertönt der gleiche Schall.
Achilles
.
Die Nacht mit Drachenflügeln deckt die Flur
Und trennt die Scharen mit dem Heroldstab.
Schlaf’ nun vergnügt, mein halbgesättigt Schwert,
Das gern noch mehr so leckern Fang verzehrt;
Kommt, knüpft den Leib an meines Rosses Schweife,
Daß ich ihn so um Trojas Mauern schleife.
Sie gehn ab. Es wird zum Rückzug geblasen.
¶
Zehnte Szene
Ebendaselbst.
Es treten auf Agamemnon, Ajax, Nestor, Menelaus, Diomedes und andere im Marsch. Draußen Freudengeschrei.
Agamemnon
.
Horch, welch ein Freudenruf?
Nestor
.
Still, Trommeln, still!
Soldaten
hinter der Szene.
Achilles hoch! Fürst Hektor fiel! Achilles!
Diomedes
.
Sie rufen: Hektor fiel! Und durch Achilles!
Ajax
.
Und wenn’s auch ist, so prahlet nicht so sehr,
Held Hektor war nicht minder wert als er.
Agamemnon
.
Zieht still vorbei. Entbietet dem Achill,
Daß ich in meinem Zelt ihn sprechen will.
Da uns sein Sieg den größten Feind gebändigt,
Fällt Troja bald, und unser Feldzug endigt.
Sie marschieren weiter.
¶
Elfte Szene
Ebendaselbst.
Äneas und Trojaner treten auf.
Äneas
.
Halt! Weicht nur nicht! Noch ist das Schlachtfeld unser,
Wir halten stand, erwarten hier den Tag.
Troilus tritt auf.
Troilus
.
Hektor ist tot.
Alle
.
Hektor? Verhüt’es Zeus! –
Troilus
.
Ja, tot; und an dem Roßschweif seines Mörders
Viehisch geschleift auf der beschämten Flur.
Zürnt, Götter! Eure Rache treff’ uns schnell;
Hohnlächelnd schaut von Euerm Thron herab,
Die Gnade nur gewährt, und endet schnell:
Verzögert nicht den sichern Untergang!
Äneas
.
Mein Prinz, das ganze Heer entmutigt Ihr!
Troilus
.
Ihr faßt nicht meinen Sinn, wenn Ihr so sprecht.
Ich rede nicht von Furcht, von Flucht, noch Tod;
Trotz biet’ ich allem Grau’n, womit die Götter
Und Menschen noch bedrohn. – Hektor dahin! –
Wer sagt es Priam? Wer der Hekuba?
Wer hat den Mut, als nächt’ge Eule krächzend,
In Troja zu verkünden: Hektor fiel!
Solch Wort verwandelt Priamus in Stein,
In Quell’n und Niobes: Jungfrau’n und Weiber,
Jüngling’ in
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