Sämtliche Dramen
Herren schwelgten
An Timons Tisch? Sie kosten, mahnten nicht,
Und lächelten, und nahmen noch den Zins
In gier’gen Schlund. Ihr tut euch selbst zu nah,
Daß ihr mich reizt; laßt ruhig mich von hinnen;
Mein Herr kann jetzt nebst mir den Haushalt enden:
Ich bin mit Rechnen fertig, er mit Spenden.
Lucius’ Diener
.
Ja, doch die Antwort dient nicht.
Flavius
.
Dient sie nicht,
Ist besser sie als ihr; denn ihr dient Schelmen.
Flavius geht ab.
Varros Erster Diener
. Was murmelt da der abgedankte gnädige Herr?
Varros Zweiter Diener
. Das ist einerlei; er ist arm, und das ist Strafe genug für ihn. Wer kann freier sprechen, als der, der kein Haus hat, den Kopf hinein zu tun? Solche Leute dürfen auf große Gebäude schelten.
Servilius tritt auf.
Titus
. Hier ist Servilius; nun werden wir wohl irgendein Antwort bekommen.
Servilius
.
Wenn ich euch bitten darf, ihr guten Herren,
So kommt zu einer andern Stunde; sehr
Will ich’s euch danken: denn, glaubt meinem Wort,
Mein Herr ist außerordentlich verstimmt.
Sein heitrer Sinn hat gänzlich ihn verlassen;
Denn er ist krank und muß sein Zimmer hüten.
Lucius’ Diener
.
Das Zimmer hütet mancher, der nicht krank ist;
Und, ist er so sehr leidend, sollt’ er, mein’ ich,
Um so viel eher seine Schulden zahlen
Und sich den Weg frei machen zu den Göttern.
Servilius
. Ihr Götter!
Titus
. Dies können wir für keine Antwort nehmen.
Flaminius
drinnen. Servilius! komm und hilf! Mylord, Mylord!
Timon tritt auf in einem Anfall von Wut, Flaminius folgt ihm.
Timon
.
Was, sperrt die eigne Tür den Durchgang mir?
War ich stets frei, und muß mein eigen Haus
Mein Feind sein, der mich fesselt, und mein Kerker?
Der Platz, der Lust geweiht, zeigt er nun auch,
Wie alle Menschen, mir ein eisern Herz?
Lucius’ Diener
. Mach’ dich an ihn, Titus!
Titus
. Mylord, hier ist meine Verschreibung.
Lucius’ Diener
. Und meine.
Hortensius
. Und meine.
Die beiden Diener des Varro
. Und unsre, Herr.
Philotus
. Alle unsre Verschreibungen.
Timon
. So haut mich nieder, spaltet mich zum Gürtel!
Lucius’ Diener
. Ach! Herr –
Timon
. Zerteilt mein Herz!
Titus
. Funfzig Talente hier.
Timon
. Nehmt denn mein Blut!
Lucius’ Diener
. Fünftausend Kronen, Herr.
Timon
.
Fünftausend Tropfen zahlen die. Und Ihr?
Und Ihr?
Varros Erster Diener
. Herr!
Varros Zweiter Diener
. Herr!
Timon
. Reißt mich in Stück’, und töten euch die Götter!
Er geht ab.
Hortensius
. Nun, ich sehe wohl, unsre Herren mögen ihre Mützen nach ihrem Gelde schmeißen: diese Schulden kann man wohl verzweifelte nennen, da ein Rasender sie bezahlen soll.
Sie gehn alle ab.
Timon kommt zurück mit Flavius.
Timon
.
Es nahmen Luft und Atem mir die Sklaven.
Gläubiger! – Teufel! –
Flavius
.
Mein teurer Herr!
Timon
.
Und könnt’s nicht so geschehn?
Flavius
.
Mein gnädiger Herr!
Timon
.
So soll es sein: – Mein Hausverwalter!
Flavius
.
Hier, Herr!
Timon
.
So schnell? Geh, lade mir die Freunde wieder,
Lucius, Lucullus und Sempronius, alle;
Ich will die Schufte noch einmal bewirten.
Flavius
.
O teurer Herr,
Das sprecht Ihr nur aus tief zerstörtem Sinn:
Es ist nicht so viel übrig, auszurichten
Ein mäß’ges Mahl.
Timon
.
Still, lade all’, befehl’ ich:
Daß noch einmal herein die Schelmzucht breche;
Mein Koch und ich besorgen schon die Zeche.
Sie gehn ab.
¶
Fünfte Szene
Das Haus des Senats.
Der Senat ist versammelt.
Erster Senator
.
Mylord, so stimm’ auch ich; die Schuld ist blutig:
Er muß notwendig mit dem Tode büßen;
Die Sünde wird durch Gnade frecher nur.
Zweiter Senator
.
Sehr wahr; vernichten soll ihn das Gesetz.
Alcibiades tritt auf mit Gefolge.
Alcibiades
.
Heil sei und Ehr’ und Milde dem Senat!
Erster Senator
.
Was wollt Ihr, Feldherr?
Alcibiades
.
Vor eure Tugend tret’ ich als ein Fleh’nder;
Denn Mitleid ist die Tugend des Gesetzes,
Nur Tyrannei braucht es zur Grausamkeit.
Die Laune war’s von Zeit und Schicksal, schwer
Zu drücken einen Freund, der, heißen Bluts,
Schritt ins Vergehn, wo pfadlos dessen Tiefe
Für jenen, der hineinstürzt unbedacht.
Er ist ein Mann, den Fehl beiseit’ gesetzt,
Von milden Tugenden;
Auch nicht befleckte Feigheit sein Beginnen
(Ein Ruhm, der wohl des Fehltritts Schuld bezahlt),
Nein, heldenmüt’gen Sinns und edeln Zorns,
Da er zum Tod die Ehre sah verletzt,
Begegnet’ er dem Feind:
Und so gemäßigt mit verhaltnem Grimm
Hielt er den Zorn bis an das
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