Sämtliche Dramen
Scheidung
Des Sohns und Vaters! glänzender Besudler
Von Hymens reinstem Lager! tapfrer Mars!
Du ewig blüh’nder, zartgeliebter Freier,
Des roter Schein den heil’gen Schnee zerschmelz’
Auf Dianas reinem Schoß! sichtbare Gottheit,
Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderst,
Zum Kuß sie zwingst! du sprichst in jeder Sprache,
Zu jedem Zweck! O du, der Herzen Prüfstein!
Denk’, es empört dein Sklave sich, der Mensch;
Vernichte deine Kraft sie all’ verwirrend,
Daß Tieren wird die Herrschaft dieser Welt!
Apemantus
.
O wär’ es so! –
Doch wenn ich tot bin. – Daß du Gold hast, sag’ ich:
Bald drängt sieh alles zu dir.
Timon
.
Zu mir?
Apemantus
.
Ja.
Timon
.
Den Rücken zeig’!
Apemantus
.
Dein Elend lieb’ und lebe!
Timon
.
So lebe lang’ und stirb so! – Wir sind quitt. –
Apemantus geht ab.
Mehr Menschengleiches? – Iß und hasse sie!
Es kommen mehrere Banditen.
Erster Bandit
. Woher sollte er Gold haben? So ein armer Rest, ein kleines Korn vom Geretteten; nur der Mangel an Gold und der Abfall seiner Freunde brachten ihn in diese Schwermut.
Zweiter Bandit
. Das Gerücht geht, er habe einen großen Schatz.
Dritter Bandit
. Wir wollen uns an ihn machen: wenn er nichts danach fragt, so gibt er es uns gleich; wenn er es aber geizig hütet, wie sollen wir es kriegen?
Zweiter Bandit
. Ja, denn er trägt es nicht bei sich, es ist vergraben.
Erster Bandit
. Ist er das nicht?
Die anderen Banditen
. Wo?
Zweiter Bandit
. Nach der Beschreibung ist er’s.
Dritter Bandit
. Ja, ich kenne ihn.
Die Banditen
. Guten Tag, Timon!
Timon
. Was, Diebe?
Die Banditen
. Krieger, nicht Diebe.
Timon
. Beides, und von Weibern geboren.
Die Banditen
. Wir sind nicht Diebe, Menschen nur im Mangel.
Timon
.
Eu’r größter Mangel ist, euch mangelt Speise.
Weshalb der Mangel? Wurzeln hat die Erde;
In Meilenumfang springen hundert Quellen,
Der Baum trägt Eicheln, Sträuche rote Beeren;
Natur, die güt’ge Hausfrau, breitet aus
Auf jedem Busch ein volles Mahl. Was Mangel?
Erster Bandit
.
Wir können nicht von Kräutern, Beeren, Wasser,
Wie wildes Tier, wie Fisch und Vogel leben.
Timon
.
Noch von den Tieren, Fischen, Vögeln selbst;
Auch Menschen müßt ihr zehren. Danken muß ich,
Daß ihr seid offne Dieb’ und waltet nicht
In heil’germ Schein; unendlich ist der Raub,
Den jeder Stand mit Ehren treibt. Hier, Schufte,
Nehmt Gold: geht, saugt das zarte Blut der Traube,
Bis siedend heiß das Blut vom Fieber schäumt
Und euch das Hängen spart! Traut keinem Arzt:
Sein Gegengift ist Gift, und er erschlägt,
Schlimmer als ihr: raubt Gold zusamt dem Leben;
Übt Büberei, ihr übt sie im Beruf,
Als zünftig. Alles, hört, treibt Dieberei:
Die Sonn’ ist Dieb, beraubt durch zieh’nde Kraft
Die weite See; ein Erzdieb ist der Mond,
Da er wegschnappt sein blasses Licht der Sonne;
Das Meer ist Dieb, des nasse Wogen auflöst
Der Mond in salz’ge Tränen: Erd’ ist Dieb,
Sie zehrt und zeugt aus Schlamm nur, weggestohlen
Von allgemeinem Auswurf: Dieb ist alles.
Gesetz, euch Peitsch’ und Zaum, stiehlt trotzig selbst
Und ungestraft. Fort, liebt einander nicht,
Beraubt einander selbst! Hier, noch mehr Gold!
Die Kehlen schneidet: was ihr seht, sind Diebe.
Fort, nach Athen, und brecht die Läden auf:
Ihr stehlt nichts, was ihr nicht dem Dieb entreißt;
Stehlt minder nicht, weil ich euch dies geschenkt,
Und Gold verderb’ euch jedenfalls! Amen!
Timon zieht sich in seine Höhle zurück.
Dritter Bandit
. Er hat mich fast von meinem Gewerbe weg beschworen, indem er mich dazu antrieb.
Erster Bandit
. Es ist nur aus Bosheit gegen das menschlich Geschlecht, daß er uns diesen Rat gibt, nicht, damit wir in unserm Beruf glücklich sein sollen.
Zweiter Bandit
. Ich will ihm, als einem Feinde, glauben, und mein Handwerk aufgeben.
Erster Bandit
. Laßt uns erst Athen wieder in Frieden sehen: keine Zeit ist so schlimm, wo man nicht ehrlich sein könnte.
Die Banditen gehn ab.
Flavius tritt auf.
Flavius
.
O Götter ihr! Ist jener
Schmachvolle und verfallne Mann mein Herr?
So abgezehrt, in Lumpen? O du Denkmal
Und Wunderwerk von Guttat, schlecht vergolten!
Welch Gegenbild von Ehr’ und Pracht hat hier
Verzweiflungsvoller Mangel aufgestellt!
Gibt’s Niedrers auf der Welt, als Freunde schändlich,
Die edlen Sinn in Schmach so stürzen endlich?
Oh, wohl ziemt das Gebot für unsre Zeit,
Das auch den Feind zu lieben uns gebeut!
Ihm, der mich haßt, sei Liebe
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