Sämtliche Werke
macht.
Machiavell .
Er scheint mir in allem nach seinem Gewissen zu handeln.
Regentin .
Sein Gewissen hat einen gefälligen Spiegel. Sein Betragen ist oft beleidigend. Er sieht oft aus, als wenn er in der völligen Überzeugung lebe, er sei Herr und wolle es uns nur aus Gefälligkeit nicht fühlen lassen, wolle uns so gerade nicht zum Lande hinausjagen; es werde sich schon geben.
Machiavell .
Ich bitte Euch, legt seine Offenheit, sein glückliches Blut, das alles Wichtige leicht behandelt, nicht zu gefährlich aus. Ihr schadet nur ihm und Euch.
Regentin .
Ich lege nichts aus. Ich spreche nur von den unvermeidlichen Folgen, und ich kenne ihn. Sein niederländischer Adel und sein golden Vlies vor der Brust stärken sein Vertrauen, seine Kühnheit. Beides kann ihn vor einem schnellen, willkürlichen Unmut des Königs schützen. Untersuch es genau; an dem ganzen Unglück, das Flandern trifft, ist er doch nur allein schuld. Er hat zuerst den fremden Lehrern nachgesehn, hat’s so genau nicht genommen und vielleicht sich heimlich gefreut, dass wir etwas zu schaffen hatten. Lass mich nur! Was ich auf dem Herzen habe, soll bei dieser Gelegenheit davon. Und ich will die Pfeile nicht umsonst verschießen; ich weiß, wo er empfindlich ist. Er ist auch empfindlich.
Machiavell .
Habt Ihr den Rat zusammenberufen lassen? Kommt Oranien auch?
Regentin .
Ich habe nach Antwerpen um ihn geschickt. Ich will ihnen die Last der Verantwortung nahe genug zuwälzen, sie sollen sich mit mir dem Übel ernstlich entgegensetzen oder sich auch als Rebellen erklären. Eile, dass die Briefe fertig werden, und bringe mir sie zur Unterschrift. Dann sende schnell den bewährten Vaska nach Madrid; er ist unermüdet und treu; dass mein Bruder zuerst durch ihn die Nachricht erfahre, dass der Ruf ihn nicht übereile. Ich will ihn selbst noch sprechen, eh’ er abgeht.
Machiavell .
Eure Befehle sollen schnell und genau befolgt werden.
(Bürgerhaus.)
Klare . Klarens Mutter . Brackenburg .
Klare .
Wollt Ihr mir nicht das Garn halten, Brackenburg?
Brackenburg .
Ich bitt’ Euch, verschont mich, Klärchen.
Klare .
Was habt Ihr wieder? Warum versagt Ihr mir diesen kleinen Liebesdienst?
Brackenburg .
Ihr bannt mich mit dem Zwirn so fest vor Euch hin, ich kann Euern Augen nicht ausweichen.
Klare .
Grillen! Kommt und haltet!
Mutter (im Sessel strickend) .
Singt doch eins! Brackenburg sekundiert so hübsch. Sonst wart ihr lustig, und ich hatte immer was zu lachen.
Brackenburg .
Sonst.
Klare .
Wir wollen singen.
Brackenburg .
Was Ihr wollt.
Klare .
Nur hübsch munter und frischweg! Es ist ein Soldatenliedchen, mein Leibstück.
(Sie wickelt Garn und singt mit Brackenburg.)
Die Trommel gerühret!
Das Pfeifchen gespielt!
Mein Liebster gewaffnet
Dem Haufen befiehlt,
Die Lanze hoch führet,
Die Leute regieret.
Wie klopft mir das Herze!
Wie wallt mir das Blut!
O hätt’ ich ein Wämslein
Und Hosen und Hut!
Ich folgt’ ihm zum Tor ’naus
Mit mutigem Schritt,
Ging’ durch die Provinzen,
Ging’ überall mit.
Die Feinde schon weichen,
Wir schießen darein!
Welch Glück sondergleichen,
Ein Mannsbild zu sein!
(Brackenburg hat unter dem Singen Klärchen oft angesehen; zuletzt bleibt ihm die Stimme stocken, die Tränen kommen ihm in die Augen, er lässt den Strang fallen und geht ans Fenster. Klärchen singt das Lied allein aus, die Mutter winkt ihr halb unwillig, sie steht auf, geht einige Schritte nach ihm hin, kehrt halb unschlüssig wieder um und setzt sich.)
Mutter .
Was gibt’s auf der Gasse, Brackenburg? Ich höre marschieren.
Brackenburg .
Es ist die Leibwache der Regentin.
Klare .
Um diese Stunde? was soll das bedeuten? (Sie steht auf und geht an das Fenster zu Brackenburg.) Das ist nicht die tägliche Wache, das sind weit mehr! Fast alle ihre Haufen. O Brackenburg, geht! Hört einmal, was es gibt! Es muss etwas Besonderes sein. Geht, guter Brackenburg, tut mir den Gefallen.
Brackenburg .
Ich gehe! Ich bin gleich wieder da! (Er reicht ihr abgehend die Hand; sie gibt ihm die ihrige.)
Mutter .
Du schickst ihn schon wieder weg!
Klare .
Ich bin neugierig; und auch, verdenkt mir’s nicht, seine Gegenwart tut mir weh. Ich weiß immer nicht, wie ich mich gegen ihn betragen soll. Ich habe unrecht gegen ihn, und mich nagt’s am Herzen, dass er es so lebendig fühlt. – Kann ich’s doch nicht ändern!
Mutter .
Es ist ein so treuer Bursche.
Klare .
Ich kann’s auch nicht lassen, ich muss ihm
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