Sämtliche Werke
verheimlichen. Ich sehe kein Mittel, weder strenges noch gelindes, dem Übel zu steuern. O was sind wir Großen auf der Woge der Menschheit? Wir glauben, sie zu beherrschen, und sie treibt uns auf und nieder, hin und her.
Machiavell tritt auf.
Regentin .
Sind die Briefe an den König aufgesetzt?
Machiavell .
In einer Stunde werdet Ihr sie unterschreiben können.
Regentin .
Habt Ihr den Bericht ausführlich genug gemacht?
Machiavell .
Ausführlich und umständlich, wie es der König liebt. Ich erzähle, wie zuerst um St. Omer die bilderstürmerische Wut sich zeigt. Wie eine rasende Menge, mit Stäben, Beilen, Hämmern, Leitern, Stricken versehen, von wenig Bewaffneten begleitet, erst Kapellen, Kirchen und Klöster anfallen, die Andächtigen verjagen, die verschlossenen Pforten aufbrechen, alles umkehren, die Altäre niederreißen, die Statuen der Heiligen zerschlagen, alle Gemälde verderben, alles, was sie nur Geweihtes, Geheiligtes antreffen, zerschmettern, zerreißen, zertreten. Wie sich der Haufe unterwegs vermehrt, die Einwohner von Ypern ihnen die Tore eröffnen. Wie sie den Dom mit unglaublicher Schnelle verwüsten, die Bibliothek des Bischofs verbrennen. Wie eine große Menge Volks, von gleichem Unsinn ergriffen, sich über Menin, Comines, Verwich, Lille verbreitet, nirgend Widerstand findet, und wie fast durch ganz Flandern in einem Augenblicke die ungeheure Verschwörung sich erklärt und ausgeführt ist.
Regentin .
Ach, wie ergreift mich aufs neue der Schmerz bei deiner Wiederholung! Und die Furcht gesellt sich dazu, das Übel werde nur größer und größer werden. Sagt mir Eure Gedanken, Machiavell!
Machiavell .
Verzeihen Eure Hoheit, meine Gedanken sehen Grillen so ähnlich; und wenn Ihr auch immer mit meinen Diensten zufrieden wart, habt Ihr doch selten meinem Rat folgen mögen. Ihr sagtet oft im Scherze: „Du siehst zu weit, Machiavell! Du solltest Geschichtschreiber sein: Wer handelt, muss fürs Nächste sorgen.“ Und doch, habe ich diese Geschichte nicht vorauserzählt? Hab’ ich nicht alles vorausgesehen?
Regentin .
Ich sehe auch viel voraus, ohne es ändern zu können.
Machiavell .
Ein Wort für tausend: Ihr unterdrückt die neue Lehre nicht. Lasst sie gelten, sondert sie von den Rechtgläubigen, gebt ihnen Kirchen, fasst sie in die bürgerliche Ordnung, schränkt sie ein; und so habt Ihr die Aufrührer auf einmal zur Ruhe gebracht. Jede andern Mittel sind vergeblich, und Ihr verheert das Land.
Regentin .
Hast du vergessen, mit welchem Abscheu mein Bruder selbst die Frage verwarf, ob man die neue Lehre dulden könne? Weißt du nicht, wie er mir in jedem Briefe die Erhaltung des wahren Glaubens aufs eifrigste empfiehlt? Dass er Ruhe und Einigkeit auf Kosten der Religion nicht hergestellt wissen will? Hält er nicht selbst in den Provinzen Spione, die wir nicht kennen, um zu erfahren, wer sich zu der neuen Meinung hinüberneigt? Hat er nicht zu unsrer Verwunderung uns diesen und jenen genannt, der sich in unsrer Nähe heimlich der Ketzerei schuldig machte? Befiehlt er nicht Strenge und Schärfe? Und ich soll gelind sein? Ich soll Vorschläge tun, dass er nachsehe, dass er dulde? Würde ich nicht alles Vertrauen, allen Glauben bei ihm verlieren?
Machiavell .
Ich weiß wohl; der König befiehlt, er lässt Euch seine Absichten wissen. Ihr sollt Ruhe und Friede wieder herstellen, durch ein Mittel, das die Gemüter noch mehr erbittert, das den Krieg unvermeidlich an allen Enden anblasen wird. Bedenkt, was Ihr tut. Die größten Kaufleute sind angesteckt, der Adel, das Volk, die Soldaten. Was hilft es, auf seinen Gedanken beharren, wenn sich um uns alles ändert? Möchte doch ein guter Geist Philippen eingeben, dass es einem Könige anständiger ist, Bürger zweierlei Glaubens zu regieren, als sie durcheinander aufzureiben.
Regentin .
Solch ein Wort nie wieder. Ich weiß wohl, dass Politik selten Treu und Glauben halten kann, dass sie Offenheit, Gutherzigkeit, Nachgiebigkeit aus unsern Herzen ausschließt. In weltlichen Geschäften ist das leider nur zu wahr; sollen wir aber auch mit Gott spielen wie unter einander? Sollen wir gleichgültig gegen unsre bewährte Lehre sein, für die so viele ihr Leben aufgeopfert haben? Die sollten wir hingeben an hergelaufne, ungewisse, sich selbst widersprechende Neuerungen?
Machiavell .
Denkt nur deswegen nicht übler von mir.
Regentin .
Ich kenne dich und deine Treue und weiß, dass einer ein ehrlicher und verständiger Mann sein kann,
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