Sämtliche Werke
freundlich begegnen. Meine Hand drückt sich oft unversehens zu, wenn die seine mich so leise, so liebevoll anfasst. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich ihn betrüge, dass ich in seinem Herzen eine vergebliche Hoffnung nähre. Ich bin übel dran. Weiß Gott, ich betrüg’ ihn nicht. Ich will nicht, dass er hoffen soll, und ich kann ihn doch nicht verzweifeln lassen.
Mutter .
Das ist nicht gut.
Klare .
Ich hatte ihn gern und will ihm auch noch wohl in der Seele. Ich hätte ihn heiraten können und glaube, ich war nie in ihn verliebt.
Mutter .
Glücklich wärst du immer mit ihm gewesen.
Klare .
Wäre versorgt und hätte ein ruhiges Leben.
Mutter .
Und das ist alles durch deine Schuld verscherzt.
Klare .
Ich bin in einer wunderlichen Lage. Wenn ich so nachdenke, wie es gegangen ist, weiß ich’s wohl und weiß es nicht. Und dann darf ich Egmont nur wieder ansehen, wird mir alles sehr begreiflich, ja, wäre mir weit mehr begreiflich. Ach, was ist’s ein Mann! Alle Provinzen beten ihn an, und ich in seinem Arm sollte nicht das glücklichste Geschöpf von der Welt sein?
Mutter .
Wie wird’s in der Zukunft werden?
Klare .
Ach, ich frage nur, ob er mich liebt; und ob er mich liebt, ist das eine Frage?
Mutter .
Man hat nichts als Herzensangst mit seinen Kindern. Wie das ausgehen wird? Immer Sorge und Kummer! Es geht nicht gut aus! Du hast dich unglücklich gemacht! Mich unglücklich gemacht!
Klare (gelassen) .
Ihr ließet es doch im Anfange.
Mutter .
Leider war ich zu gut, bin immer zu gut.
Klare .
Wenn Egmont vorbei ritt, und ich ans Fenster lief, schaltet Ihr mich da? Tratet Ihr nicht selbst ans Fenster? Wenn er herauf sah, lächelte, nickte, mich grüßte, war es Euch zuwider? Fandet Ihr Euch nicht selbst in Eurer Tochter geehrt?
Mutter .
Mache mir noch Vorwürfe.
Klare (gerührt) .
Wenn er nun öfter die Straße kam, und wir wohl fühlten, dass er um meinetwillen den Weg machte, bemerktet Ihr’s nicht selbst mit heimlicher Freude? Rieft Ihr mich ab, wenn ich hinter den Scheiben stand und ihn erwartete?
Mutter .
Dachte ich, dass es so weit kommen sollte?
Klare (mit stockender Stimme und zurückgehaltenen Tränen) .
Und wie er uns abends, in den Mantel eingehüllt, bei der Lampe überraschte – wer war geschäftig, ihn zu empfangen, da ich auf meinem Stuhl wie angekettet und staunend sitzen blieb?
Mutter .
Und konnte ich fürchten, dass diese unglückliche Liebe das kluge Klärchen so bald hinreißen würde? Ich muss es nun tragen, dass meine Tochter –
Klare (mit ausbrechenden Tränen) .
Mutter! Ihr wollt’s nun! Ihr habt Eure Freude, mich zu ängstigen.
Mutter (weinend) .
Weine noch gar! Mache mich noch elender durch deine Betrübnis! Ist mir’s nicht Kummer genug, dass meine einzige Tochter ein verworfenes Geschöpf ist?
Klare (aufstehend und kalt) .
Verworfen! Egmonts Geliebte verworfen? – Welche Fürstin neidete nicht das arme Klärchen um den Platz an seinem Herzen! O Mutter – meine Mutter, so redetet Ihr sonst nicht. Liebe Mutter, seid gut! – Das Volk, was das denkt, die Nachbarinnen, was die murmeln – Diese Stube, dieses kleine Haus ist ein Himmel, seit Egmonts Liebe drin wohnt.
Mutter .
Man muss ihm hold sein! Das ist wahr. Er ist immer so freundlich, frei und offen.
Klare .
Es ist keine falsche Ader an ihm. Seht, Mutter, und er ist doch der große Egmont. Und wenn er zu mir kommt, wie er so lieb ist, so gut! Wie er mir seinen Stand, seine Tapferkeit gerne verbärge! Wie er um mich besorgt ist! So nur Mensch, nur Freund, nur Liebster.
Mutter .
Kommt er wohl heute?
Klare .
Habt Ihr mich nicht oft ans Fenster gehen sehn? Habt Ihr nicht bemerkt, wie ich horche, wenn’s an der Tür rauscht? – Ob ich schon weiß, dass er vor Nacht nicht kommt, vermut’ ich ihn doch jeden Augenblick, von morgens an, wenn ich aufstehe. Wär’ ich nur ein Bube und könnte immer mit ihm gehen, zu Hofe und überall hin! Könnt’ ihm die Fahne nachtragen in der Schlacht! –
Mutter .
Du warst immer so ein Springinsfeld; als ein kleines Kind schon, bald toll, bald nachdenklich. Ziehst du dich nicht ein wenig besser an?
Klare .
Vielleicht, Mutter! Wenn ich Langeweile habe! – Gestern, denkt, gingen von seinen Leuten vorbei und sangen Lobliedchen auf ihn. Wenigstens war sein Name in den Liedern, das übrige konnte ich nicht verstehn. Das Herz schlug mir bis an den Hals – Ich hätte sie gern zurückgerufen, wenn ich mich nicht geschämt hätte.
Mutter .
Nimm dich in
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