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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Gipfel. Cousin wird hier nicht bloß wegen seiner eigenen Denkweise angegriffen, sondern auch bösartiger Handlungen beschuldigt. Diesmal läßt sich die Tugend vom Winde der Leidenschaft am weitesten fortreißen und gerät aufs hohe Meer der Verleumdung. Nein, wir wissen es aus guter Quelle, daß Cousin zufälligerweise ganz unschuldig ist an den unverzeihlichen Modifizierungen, welche die postume Schrift seines Schülers Jouffroy erlitten; wir wissen es nämlich nicht aus dem Munde seiner Anhänger, sondern seiner Gegner, die sich darüber beklagen, daß Cousin aus ängstlicher Schonung der Universitätsinteressen die Publikation der Jouffroyschen Schrift widerraten und verdrießlich seine Beihülfe verweigert habe. Sonderbare Wiedergeburt derselben Erscheinungen, wie wir sie bereits vor zwanzig Jahren in Berlin erlebt! Diesmal begreifen wir sie besser, und wenn auch unsre persönlichen Sympathien nicht für Cousin sind, so wollen wir doch unparteiisch gestehen, daß ihn die radikale Partei mit demselben Unrecht und mit derselben Beschränktheit verlästerte, die wir uns selbst einst in bezug auf den großen Hegel zuschulden kommen ließen. Auch dieser wollte gern, daß seine Philosophie im schützenden Schatten der Staatsgewalt ruhig gedeihe und mit dem Glauben der Kirche in keinen Kampf geriete, ehe sie hinlänglich ausgewachsen und stark – und der Mann, dessen Geist am klarsten und dessen Doktrin am liberalsten war, sprach sie dennoch in so trüb scholastischer, verklausulierter Form aus, daß nicht bloß die religiöse, sondern auch die politische Partei der Vergangenheit in ihm einen Verbündeten zu besitzen glaubte. Nur die Eingeweihten lächelten ob solchem Irrtum, und erst heute verstehen wir dieses Lächeln; damals waren wir jung und töricht und ungeduldig, und wir eiferten gegen Hegel, wie jüngst die äußerste Linke in Frankreich gegen Cousin eiferte. Nur daß bei diesem die äußerste Rechte sich nicht täuschen läßt durch die Vorsichtsmaßregeln des Ausdrucks; die römisch-katholisch-apostolische Klerisei zeigt sich hier weit scharfsichtiger als die königlich-preußisch-protestantische; sie weiß ganz bestimmt, daß die Philosophie ihr schlimmster Feind ist, sie weiß, daß dieser Feind sie aus der Sorbonne verdrängt hat, und um diese Festung wiederzuerobern, unternahm sie gegen Cousin einen Vertilgungskrieg, und sie führt ihn mit jener geweihten Taktik, wo der Zweck die Mittel heiligt. So wird Cousin von zwei entgegengesetzten Seiten angegriffen, und während die ganze Glaubensarmee mit fliegenden Kreuzfahnen, unter Anführung des Erzbischofs von Chartres, gegen ihn vorrückt, stürmen auf ihn los auch die Sansculotten des Gedanken, brave Herzen, schwache Köpfe, mit Pierre Leroux an ihrer Spitze. In diesem Kampfe sind alle unsre Siegeswünsche für Cousin; denn wenn auch die Bevorrechtung der Universität ihre Übelstände hat, so verhindert sie doch, daß der ganze Unterricht in die Hände jener Leute fällt, die immer mit unerbittlicher Grausamkeit die Männer der Wissenschaft und des Fortschrittes verfolgten, und solange Cousin in der Sorbonne wohnt, wird wenigstens dort nicht wie ehemals der Scheiterhaufen als letztes Argument, als ultima ratio, in der Tagespolemik angewendet werden. Ja, er wohnt dort als Gonfaloniere der Gedankenfreiheit, und das Banner derselben weht über dem sonst so verrufenen Obskurantenneste der Sorbonne. Was uns für Cousin noch besonders stimmt, ist die liebreiche Perfidie, womit man die Beschuldigungen des Pierre Leroux auszubeuten wußte. Die Arglist hatte sich diesmal hinter die Tugend versteckt, und Cousin wird wegen einer Handlung angeklagt, für die, hätte er sie wirklich begangen, ihm nur Lob, volles orthodoxes Lob von der klerikalen Partei gespendet werden müßte: Jansenisten ebensowohl wie Jesuiten predigten ja immer den Grundsatz, daß man um jeden Preis das öffentliche Ärgernis zu verhindern suche. Nur das öffentliche Ärgernis sei die Sünde, und nur diese solle man vermeiden, sagte gar salbungsvoll der fromme Mann, den Molière kanonisiert hat. Aber nein, Cousin darf sich keiner so erbaulichen Tat rühmen, wie man sie ihm zuschreibt; dergleichen liegt vielmehr im Charakter seiner Gegner, die von jeher, um den Skandal zu hintertreiben oder schwache Seelen vor Zweifel zu bewahren, es nicht verschmähten, Bücher zu verstümmeln oder ganz umzuändern oder zu vernichten oder ganz neue Schriften unter erborgten Namen zu schmieden, so daß die

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