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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Weise, womit er in der »Revue des deux mondes« gegen uns loszog, war nichts weniger als französisch, und eben an dem tüchtigen Faustschlag und der echten Grobheit erkannten wir den Landsmann. Edgar ist ganz ein Deutscher, nicht bloß dem Geiste, sondern auch der äußern Erscheinung nach, und wer ihm auf den Straßen von Paris begegnet, hält ihn gewiß für irgendeinen Halleschen Theologen, der eben durchs Examen gefallen und, um sich zu erholen, nach Frankreich gedämmert. Eine kräftige, vierschrötige, ungekämmte Gestalt. Ein liebes, ehrliches, wehmütiges Gesicht. Grauer, schlottriger Oberrock, den Jung-Stilling genäht zu haben scheint. Stiefel, die vielleicht einst Jakob Böhm besohlte.
    Quinet hat lange Zeit jenseits des Rheines gelebt, namentlich in Heidelberg, wo er studierte und sich täglich in Creuzers »Symbolik« berauschte. Er durchwanderte ganz Deutschland zu Fuß, besah alle unsere gotischen Ruinen und schmollierte dort mit den ausgezeichnetsten Gespenstern. Im Teutoburger Walde, wo Hermann den Varus schlug, hat er westfälischen Schinken mit Pumpernickel gegessen; auf dem Sonnenstein gab er seine Karte ab. Ob er auch zu Mölln Eulenspiegels Grab besuchte, kann ich nicht behaupten. Was ich aber ganz bestimmt weiß, das ist: es gibt jetzt in der ganzen Welt keine drei Dichter, die soviel Phantasie, Ideenreichtum und Genialität besitzen wie Edgar Quinet.
LXI
    Paris, 21. Juni 1843
    Alle Jahre besuche ich regelmäßig die feierliche Sitzung in der Rotunde des Palais Mazarin, wo man sich stundenlang vorher einfinden muß, um Platz zu finden, unter der Elite der Geistesaristokratie, wozu glücklicherweise die schönsten Damen gehören. Nach langem Warten kommen endlich durch eine Seitentür die Herren Akademiker, die Mehrzahl aus Leuten bestehend, die sehr alt oder wenigstens nicht sehr gesund sind; Schönheit darf hier nicht gesucht werden. Sie setzen sich auf ihre langen, harten Holzbänke; man spricht zwar von den Fauteuils der Akademie, aber diese existieren nicht in der Wirklichkeit und sind nur eine Fiktion. Die Sitzung beginnt mit einer langen, langweiligen Rede über die Jahresarbeiten und die eingegangenen Preisschriften, die der temporäre Präsident zu halten pflegt. Hierauf erhebt sich der Sekretär, der perpetuelle, dessen Amt ein ewiges ist, wie das Königtum. Die Sekretäre der Akademie und Ludwig Philipp sind Personen, die nicht durch Minister- oder Kammerlaune abgesetzt werden können. Leider ist Ludwig Philipp schon hochbejahrt, und wir wissen noch nicht, ob sein Nachfolger uns mit gleichem Talent die schöne Friedensruhe erhalten wird. Aber Mignet ist noch jung, oder, was noch besser, er ist der Typus der Jugendlichkeit selbst, er bleibt verschont von der Hand der Zeit, die uns andern die Haare weiß färbt, wo nicht gar ausrauft und die Stirne so häßlich fältelt: der schöne Mignet trägt noch seine goldlockichte Frisur wie vor zwölf Jahren, und sein Antlitz ist noch immer blühend wie das der Olympier. Sobald der Perpetuelle auf die Rednerbühne getreten, nimmt er seine Lorgnette und beäugelt das Publikum.
    Er zählt die Häupter seiner Lieben,
    Und sieh, es fehlt kein teures Haupt.
    Hierauf betrachtet er auch die um ihn her sitzenden Kollegen, und wenn ich boshaft wäre, würde ich seinen Blick ganz eigen kommentieren. Er kommt mir in solchen Momenten immer vor wie ein Hirt, der seine Herde mustert. Sie gehören ihm ja alle, ihm, dem Perpetuellen, der sie alle überleben und sie früh oder spät in seinen »Précis historiques« sezieren und einbalsamieren wird. Er scheint eines jeden Gesundheitszustand zu prüfen, um sich zu der künftigen Rede vorbereiten zu können. Der alte Ballanche sieht sehr krank aus, und Mignet schüttelt den Kopf. Da jener arme Mann gar kein Leben gelebt und auf dieser Erde gar nichts anderes getan hat, als daß er zu den Füßen von Madame Récamier saß und Bücher schrieb, die niemand liest und jeder lobt, so wird Mignet wirklich seine Not haben, ihm in seinem »Précis historique« eine menschliche Seite abzugewinnen und ihn genießbar zu machen.
    In der heurigen Sitzung war der verstorbene Daunou der Gegenstand, den Mignet behandelte. Zu meiner Schande gestehe ich, daß letzterer mir unbegreiflich wenig bekannt war, daß ich nur mit Mühe einige seiner Lebensmomente in meinem Gedächtnisse wiederfand. Auch bei anderen, besonders bei der jüngeren Generation, begegnete ich einer großen Unwissenheit in bezug auf Daunou. Und dennoch hatte

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