Sämtliche Werke
Heiliger Gott! Gegen Frankreich? Ja, hurra! Es geht gegen die Franzosen, und die Berliner Ukasuisten und Knutologen behaupten, daß wir noch dieselben Gott-, König- und Vaterlandsretter sind wie Anno 1813, und Körners »Leier und Schwert« soll wieder neu aufgelegt werden, Fouqué will noch einige Schlachtlieder hinzudichten, der Görres wird den Jesuiten wieder abgekauft, um den »Rheinischen Merkur« fortzusetzen, und wer freiwillig den heiligen Kampf mitmacht, kriegt Eichenlaub auf die Mütze und wird »Sie« tituliert und erhält nachher frei Theater oder soll wenigstens als Kind betrachtet werden und nur die Hälfte bezahlen – und für patriotische Extrabemühungen soll dem ganzen Volke noch extra eine Konstitution versprochen werden.
Frei Theater ist immerhin eine schöne Sache, aber eine Konstitution wäre auch so übel nicht. Ja, wir könnten zuzeiten ordentlich ein Gelüste danach bekommen. Nicht als ob wir der absoluten Güte oder dem guten Absolutismus unserer Monarchen mißtrauten; im Gegenteil, wir wissen, es sind lauter scharmante Leute, und ist auch mal einer unter ihnen, der dem Stande Unehre macht, wie z.B. Se. Majestät der König Don Miguel, so bildet der doch nur eine Ausnahme, und wenn die allerhöchsten Kollegen nicht seinem blutigen Skandal ein Ende machen, wie sie doch leicht könnten, so geschieht es nur, um durch den Kontrast mit solchem gekrönten Wichte noch menschenfreundlich edler dazustehen und von ihren Untertanen noch mehr geliebt zu werden. Aber eine gute Konstitution hat doch ihr Gutes, und es ist den Völkern gar nicht zu verdenken, wenn sie sogar von den besten Monarchen sich etwas Schriftliches ausbitten, wegen Leben und Sterben. Auch handelt ein vernünftiger Vater sehr vernünftig, wenn er einige heilsame Schranken baut vor den Abgründen der souveränen Macht, damit seinen Kindern nicht einst ein Unglück begegne, wenn sie auf dem hohen Pferde des Stolzes und mit prahlendem Junkergefolge allzu keck galoppieren. Ich weiß ein Königskind, das in einer schlechten adligen Reitschule schon im voraus die größten Sprünge zu wagen lernt. Für solche Königskinder muß man doppelt hohe Schranken errichten, und man muß ihnen die goldnen Sporen umwickeln, und es muß ihnen ein zahmeres Roß und eine bürgerlich bescheidnere Genossenschaft zugeteilt werden. Ich weiß eine Jagdgeschichte – bei Sankt Hubert! Und ich weiß auch jemand, der tausend Taler preußisch Kurant darum gäbe, wenn sie gelogen wäre.
Ach! die ganze Zeitgeschichte ist jetzt nur eine Jagdgeschichte. Es ist jetzt die Zeit der hohen Jagd gegen die liberalen Ideen, und die hohen Herrschaften sind eifriger als je, und ihre uniformierten Jäger schießen auf jedes ehrliche Herz, worin sich die liberalen Ideen geflüchtet, und es fehlt nicht an gelehrten Hunden, die das blutende Wort als gute Beute heranschleppen. Berlin füttert die beste Koppel, und ich höre schon, wie die Meute losbellt gegen dieses Buch.
Verschiedenartige Geschichtsauffassung
Entstanden um 1830. Erstdruck posthum.
Das Buch der Geschichte findet mannigfaltige Auslegungen. Zwei ganz entgegengesetzte Ansichten treten hier besonders hervor. – Die einen sehen in allen irdischen Dingen nur einen trostlosen Kreislauf; im Leben der Völker wie im Leben der Individuen, in diesem, wie in der organischen Natur überhaupt, sehen sie ein Wachsen, Blühen, Welken und Sterben: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. »Es ist nichts Neues unter der Sonne!« ist ihr Wahlspruch; und selbst dieser ist nichts Neues, da schon vor zwei Jahrtausenden der König des Morgenlandes ihn hervorgeseufzt. Sie zucken die Achsel über unsere Zivilisation, die doch endlich wieder der Barbarei weichen werde; sie schütteln den Kopf über unsere Freiheitskämpfe, die nur dem Aufkommen neuer Tyrannen förderlich seien; sie lächeln über alle Bestrebungen eines politischen Enthusiasmus, der die Welt besser und glücklicher machen will und der doch am Ende erkühle und nichts gefruchtet; – in der kleinen Chronik von Hoffnungen, Nöten, Mißgeschicken, Schmerzen und Freuden, Irrtümern und Enttäuschungen, womit der einzelne Mensch sein Leben verbringt, in dieser Menschengeschichte sehen sie auch die Geschichte der Menschheit. In Deutschland sind die Weltweisen der Historischen Schule und die Poeten aus der Wolfgang Goetheschen Kunstperiode ganz eigentlich dieser Ansicht zugetan, und letztere pflegen damit einen sentimentalen Indifferentismus gegen alle politischen
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