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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Gegensatze zu dieser Genossenschaft, mehr als reflektierende Fledermaus denn als gemütlicher Maikäfer umherflattert und viel mehr nach der Schillerschen Totengruft als nach Gelbveiglein riecht. Mir wurden mal seine Gedichte aus Stuttgart zugeschickt, und die freundlichen Begleitungszeilen veranlaßten mich, einen flüchtigen Blick hineinzuwerfen; ich fand sie herzlich schlecht. Dasselbe kann ich auch von seiner Prosa sagen; sie ist herzlich schlecht. Ich gestehe freilich, daß ich nichts anderes von ihm gelesen habe als eine Abhandlung, die er gegen mich geschrieben. Sie ist geistlos und unbeholfen und miserabel stilisiert; letzteres ist um so unverzeihlicher, da die ganze Schule die Materialien dazu kotisiert. Das Beste in der ganzen Abhandlung ist der wohlbekannte Kniff, womit man verstümmelte Sätze aus den heterogensten Schriften eines Autors zusammenstellt, um demselben jede beliebige Gesinnung oder Gesinnungslosigkeit aufzubürden. Freilich, der Kniff ist nicht neu, doch bleibt er immer probat, da von seiten des angefochtenen Autors keine Widerlegung möglich ist, wenn er nicht etwa ganze Folianten schreiben wollte, um zu beweisen, daß der eine von den angeführten Sätzen humoristisch gemeint, der andere zwar ernst gemeint sei, aber sich auf einen Vordersatz beziehe, der ihm eben seine richtige Bedeutung verleiht; daß ferner die aneinandergereihten Sätze nicht bloß aus ihrem logischen, sondern auch aus ihrem chronologischen Zusammenhang gerissen worden, um einige scheinbare Widersprüche hervorzuklauben; daß aber eben diese Widersprüche von der höchsten Konsequenz zeugen würden, wenn man Zeitfolge, Zeitumstände, Zeitbedingungen bedächte – ach! wenn man bedächte, wie die Strategie eines Autors, der für die Sache der europäischen Freiheit kämpft, wunderlich verwickelt ist, wie seine Taktik allen möglichen Veränderungen unterworfen, wie er heute etwas als äußerst wichtig verfechten muß, was ihm morgen ganz gleichgültig sein kann, wie er heute diesen Punkt, morgen einen andern zu beschützen oder anzugreifen hat, je nachdem es die Stellung der Gegenpartei, die wechselnden Allianzen, die Siege oder die Niederlagen des Tages erfordern!
    Das einzige Neue und Eigentümliche, was ich in der obenerwähnten Abhandlung des Herrn Gustav Pfizer gefunden habe, war hie und da nicht bloß eine listige Verkehrung des Wortsinnes meiner Schriften, sondern sogar die Fälschung meiner Worte selbst – dieses ist neu, ist eigentümlich, wenigstens bis jetzt hat man in Deutschland noch nicht einen Autor mit verfälschten Worten zitiert. Doch Herr Gustav Pfizer scheint noch ein junger Anfänger zu sein, es juckt ihm zwar die Begabnis des Fälschens in den Fingern, doch merkt man an ihm noch eine gewisse Befangenheit in der Ausübung, und wenn er z.B. »Hostien« zitiert statt der gewöhnlichen »Oblaten« des Originaltextes oder mehrmals »göttlich« zitiert statt des ursprünglichen »vortrefflich« – so weiß er doch noch nicht recht, welchen Gebrauch er von solcher Fälschung machen kann. Er ist ein junger Anfänger. Aber sein Talent ist unleugbar, er hat es hinlänglich offenbart, die geziemendste Anerkennung darf ihm nicht verweigert werden, er verdient, daß ihm Wolfgang Menzel, mit der tapferen Hand, seinen schäbigsten Lorbeerkranz aufs Haupt drückt.
    Indessen, ehrlich gestanden, ich rate ihm, sein Talent nicht bedeutender auszubilden. Es könnte ihn einst das Gelüste anwandeln, jenes edle Talent auch auf außerliterärische Gegenstände anzuwenden. Es gibt Länder, wo dergleichen mit einem Halsband von Hanf belohne wird. Ich sah zu Old Bailey in London jemanden hängen, der ein falsches Zitat unter einen Wechsel geschrieben hatte – und der arme Schelm mochte es wohl aus Hunger getan haben, nicht aus Büberei oder aus eitel Neid oder gar, um eine kleine Lobspende im Stuttgarter »Literaturblatt«, ein literärisches Trinkgeld, zu verdienen. Ich hatte deshalb Mitleid mit dem armen Schelm, bei dessen Exekution sehr viele Zögerungen vorfielen. Es ist ein Irrtum, wenn man glaubt, daß das Hängen in England so schnell vonstatten gehe. Die Zubereitungen dauerten fast eine Viertelstunde. Ich ärgere mich noch heute, wenn ich daran denke, mit welcher Langsamkeit dem armen Menschen die Schlinge um den Hals gelegt und die weiße Nachtmütze über die Augen gezogen wurde. Neben ihm standen seine Freunde, vielleicht die Genossen der Schule, wozu er gehörte, und harrten des Augenblicks, wo sie ihm den

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