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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Laubwerk guckte hie und da ein gespenstisch weißer Vogel, der fast verhöhnend kicherte und lachte. Allerlei Fabelgetier huschte schattenhaft durch die Büsche. Mitunter freilich zwitscherte auch mancher harmlose Zeisig und nickte aus den breitblättrigen Schlingpflanzen manch stille schöne Blume. Der junge Fant aber, immer weiter vordringend, rief endlich mit Übertrotz: »Wann erscheint denn der Kämpe, der mich besiegen kann?« Da kam, nicht eben rüstig, aber doch nicht allzu schlotterig, herangezogen ein langer, magerer Ritter mit geschlossenem Visier und stellte sich zum Kampfe. Sein Helmbusch war geknickt, sein Harnisch war eher verwittert als schlecht, sein Schwert war schartig, aber vom besten Stahl, und sein Arm war stark. Ich weiß nicht, wie lange die beiden miteinander fochten, doch es mag wohl geraume Zeit gedauert haben, denn die Blätter fielen unterdessen von den Bäumen, und diese standen lange kahl und frierend, und dann knospeten sie wieder aufs neue und grünten im Sonnenschein, und so wechselten die Jahrzeiten – ohne daß sie es merkten, die beiden Kämpfer, die beständig aufeinander loshieben, anfangs unbarmherzig wild, später minder heftig, dann sogar etwas phlegmatisch, bis sie endlich ganz und gar die Schwerter sinken ließen und erschöpft ihre Helmgitter aufschlossen – das gewährte einen betrübenden Anblick! Der eine Ritter, der herausgeforderte Kämpe, war ein Toter, und aus dem geöffneten Visier grinste ein fleischloser Schädel. Der andere Ritter, der als junger Fant in den Wald gezogen, trug jetzt ein verfallen fahles Greisenantlitz, und sein Haar war schneeweiß. – Von den hohen Bäumen herab, wie verhöhnend, kicherte und lachte das gespenstisch weiße Gevögel.
    Geschrieben zu Paris, im Wonnemond 1838
Schriftstellernöten
Offener Brief des Dr. Heine an Herrn Julius Campe, Inhaber der Hoffmann und Campeschen Buchhandlung zu Hamburg
    Mein liebster Campe!
    Wenn Sie oder andere darauf gerechnet haben, daß mir der »Telegraph« des Herrn Gutzkow hier nicht zu Gesicht komme, irrten Sie sich. Dasselbe ist der Fall, wenn Sie sicher darauf bauten, daß ich auf die darin abgedruckte Erklärung in betreff des »Schwabenspiegels«, aus persönlichen Rücksichten, nichts erwidern würde. Enthielte jene Erklärung nur eine rohe Beleidigung, so würde ich gewiß schweigen, alter Freundschaft willen, auch aus angeborener Milde die aufbrausenden Mißlaunen des Gemütes gern entschuldigend, zumal in dieser schweren Zeit, wo soviel Widerwärtigkeiten wie auf den Schriftsteller, so auch auf den Buchhändler eindringen und einer dem andern, wenigstens der Vernünftigere dem Leidenschaftlichern, manche Unbill verzeihen sollte… Aber, liebster Freund, wenn ich auch, alle Empfindlichkeit besiegend, die rohe Beleidigung ruhig hinnähme, so ist doch Ihre Erklärung von der Art, daß sie allerlei bedenkliche Interpretationen zuläßt, die das Ansehen meines Wortes und also auch jene heiligen Interessen, denen mein Wort gewidmet ist, gefährden können. Nur als Abwehr jener Interpretationen schreibe ich Ihnen diesen offenen Brief.
    Ich machte in der »Zeitung für die elegante Welt« dem Publikum die Anzeige, das bei Ihnen erschienene »Jahrbuch der Literatur« enthalte einen Aufsatz von mir, betitelt »Schwabenspiegel«, welcher im Interesse der darin besprochenen Personnagen, durch die heimlichen Umtriebe ihrer Wahlverwandten, dergestalt verstümmelt worden, daß ich die Autorschaft desselben nicht mehr vertreten könne. – Hierauf, liebster Campe, ließen Sie im »Telegraphen« des Herrn Gutzkow die Erklärung drucken, jene Verstümmelungen fielen lediglich der königlich sächsischen Zensur zur Last!, und Sie setzten hinzu die Worte: »Wir bemerken dieses deswegen, um den Gegnern Heinrich Heines deutlich zu machen, was sie unter der heimlichen Betriebsamkeit ihrer Wahlverwandten zu verstehen haben.«
    Zunächst also widersprechen Sie mir, und zwar ganz apodiktisch, von oben herab, ohne Angabe irgendeines Beweises, der etwa Ihre Aussage bestätige. Ich könnte nun Ihrem kargen Nein ein ebenso kurzes Ja entgegensetzen, und es käme alsdann darauf an, wessen Wort in Deutschland den meisten Glauben fände. Aber, wie ich schon erwähnt habe, ich will zu der rohen Beleidigung kein Seitenstück liefern, ich will Sie nicht der Unwahrheit, sondern nur des Irrtums zeihen, und bei diesem betrübsamen Geschäfte stütze ich mich nicht auf meine individuelle Glaubwürdigkeit, sondern nur auf Tatsachen,

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