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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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ihr Geist sich weidete am süßen Geiste Börnes… Selbst in diesem anständigsten Falle, selbst im Fall dem idealischen Freunde nur das reine, schöne Gemüt und dem rohen Gatten die nicht sehr schöne und nicht sehr reinliche Hülle gewidmet ward, beruhte der ganze Haushalt auf der schmutzigsten Lüge, auf entweihter Ehe und Heuchelei, auf Immoralität.
    Zu dem Ekel, der mich bei dem Zusammentreffen mit Börne von seiten seiner Umgebung bedrohte, gesellte sich auch das Mißbehagen, womit mich sein beständiges Kannengießern erfüllte. Immer politisches Räsonieren und wieder Räsonieren, und sogar beim Essen, wo er mich aufzusuchen wußte. Bei Tische, wo ich so gern alle Misere der Welt vergesse, verdarb er mir die besten Gerichte, durch seine patriotische Galle, die er gleichsam wie eine bittere Sauce darüber hinschwatzte. Kalbsfüße à la Maître d’hôtel, damals meine harmlose Lieblingsspeise, er verleidete sie mir durch Hiobsposten aus der Heimat, die er aus den unzuverlässigsten Zeitungen zusammengegabelt hatte. Und dann seine verfluchten Bemerkungen, die einem den Appetit verdarben. So z.B. kroch er mir mal nach in den Restaurant der Rue Lepelletier, wo damals nur politische Flüchtlinge aus Italien, Spanien, Portugal und Polen zu Mittag speisten. Börne, welcher sie alle kannte, bemerkte mit freudigem Händereiben: wir beide seien von der ganzen Gesellschaft die einzigen, die nicht von ihrer respektiven Regierung zum Tode verurteilt worden. »Aber ich habe«, setzte er hinzu, »noch nicht alle Hoffnung aufgegeben, es ebensoweit zu bringen. Wir werden am Ende alle gehenkt, und Sie ebensogut wie ich.« Ich äußerte bei dieser Gelegenheit, daß es in der Tat für die Sache der deutschen Revolution sehr fördersam wäre, wenn unsere Regierungen etwas rascher verführen und einige Revolutionäre wirklich aufhingen, damit die übrigen sähen, daß die Sache gar kein Spaß und alles an alles gesetzt werden müsse… »Sie wollen gewiß«, fiel mir Börne in die Rede, »daß wir nach dem Alphabet gehenkt werden, und da wäre ich einer der ersten und käme schon im Buchstab B, man mag mich nun als Börne oder als Baruch hängen; und es hätte dann noch gute Weile, bis man an Sie käme, tief ins H.«
    Das waren nun Tischgespräche, die mich nicht sehr erquickten, und ich rächte mich dafür, indem ich für die Gegenstände des Börneschen Enthusiasmus eine übertriebene, fast leidenschaftliche Gleichgültigkeit affektierte. Zum Beispiel Börne hatte sich geärgert, daß ich gleich bei meiner Ankunft in Paris nichts Besseres zu tun wußte, als für deutsche Blätter einen langen Bericht über die damalige Gemäldeausstellung zu schreiben. Ich lasse dahingestellt sein, ob das Kunstinteresse, das mich zu solcher Arbeit trieb, so ganz unvereinbar war mit den revolutionären Interessen des Tages; aber Börne sah hierin einen Beweis meines Indifferentismus für die heilige Sache der Menschheit, und ich konnte ihm ebenfalls die Freude seines patriotischen Sauerkrauts verleiden, wenn ich bei Tisch von nichts als von Bildern sprach, von Roberts »Schnittern«, von Horaz Vernets »Judith«, von Scheffers »Faust«. »Was taten Sie?« – frug er mich einst – »am ersten Tag Ihrer Ankunft in Paris? Was war Ihr erster Gang?« Er erwartete gewiß, daß ich ihm die Place Louis XVI oder das Pantheon, die Grabmäler Rousseaus und Voltaires, als meine erste Ausflucht nennen würde, und er machte ein sonderbares Gesicht, als ich ihm ehrlich die Wahrheit gestand, daß ich nämlich gleich bei meiner Ankunft nach der Bibliothèque Royale gegangen und mir vom Aufseher der Manuskripte den Manessischen Kodex der Minnesänger hervorholen ließ. Und das ist wahr; seit Jahren gelüstete mich, mit eigenen Augen die teuern Blätter zu sehen, die uns unter anderen die Gedichte Walthers von der Vogelweide, des größten deutschen Lyrikers, aufbewahrt haben. Für Börne war dieses ebenfalls ein Beweis meines Indifferentismus, und er zieh mich des Widerspruchs mit meinen politischen Grundsätzen. Daß ich es nie der Mühe wert hielt, letztere mit ihm zu diskutieren, versteht sich von selbst; und als er einst auch in meinen Schriften einen Widerspruch entdeckt haben wollte, begnügte ich mich mit der ironischen Antwort: »Sie irren sich, Liebster, dergleichen findet sich nie in meinen Büchern, denn jedesmal, ehe ich schreibe, pflege ich vorher meine politischen Grundsätze in meinen früheren Schriften wieder nachzulesen, damit ich mir

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